Dass
ich von The Mission nochmal was zu hören bekomme, daran
habe ich doch schon fast nicht mehr geglaubt. Und wenn
es qualitativ eine so hochkarätige Platte wie „Another
Fall From Grace “ist, dann hat sich das Warten mehr als
gelohnt.
The
Mission machen für mich quasi da weiter, wo sie mit
ihrem letzten Album „The Brightest Light“ (2013)
aufgehört haben. Einfühlsame Tracks, die immer wieder
eine gewisse düstere Atmosphäre in sich tragen.
Wayne
Husseys tiefe Stimme bereitet mir immer wieder
Wohlbehagen. Natürlich sind die großen Zeiten von The
Mission auch schon länger vorbei, was aber ihrer
Kreativität keinen Abbruch tut. „Another Fall From
Grace“ bietet für mich eine Zeitreise, ohne altbacken zu
wirken. The Mission biedern sich nicht aktuellen Trends
an, oder neuen Produzenten, die ihre Platten
charttauglich pimpen. Und das ist auch gut so.
Schon der
Albumtitel gebende Opener zeigt mir, ich bin wieder
angekommen, wo ich mich wohlfühle. Das sind die Klänge,
die ich als Soundtrack für diesen Herbst brauche. Meine
absoluten Favoriten sind auf der Platte aber dann doch „Meet
Amor Phosis“ oder das bluesige „Only You & You alone“.
Ich bekomme gerade bei letzterem eine wahre Gänsehaut.
Kerze, Glas Rotwein und diese Platte. Danke!!!
Live sind
The Mission immer schon eine sichere Bank gewesen. So
wird es mit Sicherheit auch wieder auf dieser Tour sein,
die ich persönlich jedem nur ans Herz legen kann.
27.09.2016: Beyond
Obsession - Moments Of Truth
Es
ist als Newcomer schon eine schwere Last. Das erste
Album, oh wie toll und aufregend. Das zweite Album mit
der großen Angst, ob man irgendwie an das Debut heran
kommt. Der große Befreiungsschlag kommt dann meist mit
der dritten Platte. Hier kann man die gemachten
musikalischen Erfahrungen einfließen lassen und
reflektieren, was man vielleicht bei den beiden
Vorgängern besser gemacht hätte.
Zum großen
hörbaren Befreiungsschlag haben Beyond Obsession jetzt
mit „Moments of Truth“ haben sie sich qualitativ neu
positioniert. Eine Lücke mit
Einflüssen von OMD bis Howard Jones ausgefüllt, ohne
noch irgendwie kopiert zu klingen. Bereits der Opener „Louder“
trägt seinen Namen zu Recht. Ich bin überrascht von der
professionellen Energie, die von den beiden ausgeht.
Eine sehr schöne Melodie und wie ich zugeben muss, keine
Stimme mehr von Sänger Nils, die mir gleich auf die
Nerven geht, weil er mir in die Ohren plärrt. Er hat an
sich gearbeitet. Davon gehe ich aus, da er auch bei „Weight
of Words“, meinem ersten Lieblingstrack auf der Platte,
seine Stimme besser benutzt als auf den ersten beiden
Alben zusammen.
Ich weiß
nicht, was Beyond Obsession gemacht haben, nachdem sie
vom Trio zum Duo geschrumpft sind, aber es hat ihnen gut
getan. Wer sich die Komposition von „Moment of truth“
anhört, weiß gar nicht recht, wo er jetzt befindet. Im
Jahre 2016 oder Irgendwo in den 80ern. Der Track weckt
nostalgische Gefühle irgendwo bei Erasure oder OMD. Es
ist eine Perle auf der Platte. Die Einfachheit ihrer
Frühwerke ist Vielschichtigkeit in den einzelnen Tracks
gewichen. Fein gemacht.
Und sie
verstellen sich nicht auf „Moments of Truth“. Beyond
Obsession können noch so die weißen Martens schnüren. Es
sind nette Kerle, die eine Schwäche für Synthiepop
haben. Und das ist gut so, da man, wenn ich ehrlich bin,
Sänger Nils auch den Bad Boy nicht abnehmen würde.
Dafür
können sie aber Drama. „Memories Fade“ ist so ein Track.
Ein weiterer Track, wo mir auffällt, dass Beyond
Obsession weiter gegangen sind. Ein Saxophon hätte ich
jetzt nicht erwartet. Das Stück ist in meinen Augen
musikalisch sehr anspruchsvoll und zählt zu meinen
Favoriten. Wen verabschiedet Nils in dem Stück? Einen
imaginären Freund oder vielleicht doch den abhanden
gekommenen dritten Mann, der die beiden musikalisch
vielleicht ausgebremst hatte? Wer weiß es schon so
genau. Beyond Obsession haben sich wahrlich frei
geschwommen und den Grundstein einer interessanten
Karriere gelegt. Musik für den homo- und
heteroerotischen Dancefloor zu gleichen Anteilen. Mehr
davon, bitte - danke!
27.09.2016: Assemblage
23 - Endure
Ach,
eigentlich ist es doch egal, was Tom Shear macht.
Bereits seit dem zweiten Assemblage 23-Album „Failure“
(2001) fresse ich ihm nahezu aus der Hand, was seine
Veröffentlichungen angeht. Assemblage 23 klingen zwar
jetzt neben VNV Nation oder Covenant nicht einzigartig,
aber der typische Style begeistert mich immer wieder.
Und auch nach Jahren hole ich immer ganz gerne eine
A23-CD raus und lege sie ein. Unterhaltung ist
garantiert.
Und auch
bei „Endure“ ist es nicht anders. Es ist wie eine Art
nach-Hause-kommen. Vom ersten Moment fühle ich mich wohl
mit der Platte. Tom Shear hat seine eigene Richtung
gefunden und hebt sich immer wieder von den anderen
Bands ab.
Ein
besonderes Schmankerl ist die Electro-Hymne „Bravery“.
Einer der besten Tracks, die Shear in all den Jahren
produziert hat. Glücksgefühle hüpfen durch meinen Bauch,
auch wenn hier eine gewisse Nähe zu VNV Nation nicht zu
leugnen ist. Aber das geht okay.
Was mich
aber immer wieder erfreut ist, wenn die A23-Tracks
langsamer werden. Schon bei „Call the Dawn“ wird das
Tempo gedrosselt, und jetzt zeigt sich besonders die
Affinität zu guten Melodien und Stimmungen bei Tom Shear.
Leider geht er auf „Endure“ nicht ganz so weit, wie ich
es mir erhofft habe.
Langsam
ist es auch für Assemblage 23 an der Zeit, kommerziell
mehr Erfolg einzufahren. Nach dieser Platte sowieso. Und
Tom Shear arbeitet hart daran. Diverse Livetermine
zeigen, dass Assemblage 23 auch live nicht zu verachten
sind. Ich habe sie bisher leider nur einmal live sehen
können. Aber ich hoffe, dass sich die Möglichkeit bald
wieder ergibt.
30.08.2016: Mesh -
Looking Skyward
Mesh
scheinen auch im Jahre 2016 immer eine sichere Bank zu
sein, was feinbekömmliche Klänge für den
Nicht-Mainstreammarkt ist. Wie haben sie es immer
geschafft, nicht in der Masse unterzugehen oder gar zu
Mainstream-Stars zu werden. Wobei ihre Musik letzteres
eigentlich schon fast voraussetzt. Poppiger kann Musik
für die dunkle Szene eigentlich kaum klingen. Wobei Mesh
eigentlich ja gar nichts dafür können, dass sie in der
Szene so gerne gesehen werden, wie Frau Sommer aus der
Jacobs-Werbung. Wo Mesh drauf steht ist qualitativ
Hochwertiges drin.
So jetzt
auch, mal wieder, bei der neuen Platte „Looking Skyward“
die es mir dann doch nicht ganz so leicht macht, wie die
letzten Alben. Auf der Platte sind wirklich
beeindruckende Stücke, wie die Ballade „Tactile“ oder
auch „The Traps We Made“. Jedes Stück an sich eine
Perle. Kaum fängt die Platte an sich zu drehen, braucht
es maximal 10 Sekunden von „My Protector“ und man weiß,
wer da am Werk ist.
Zwar heißt
es immer wieder, „never change a winning team“ aber
leider ist es bei Mesh jetzt wirklich an der Zeit, sich
zu neuen Ufern aufzumachen. Die erfolgreiche
Zusammenarbeit mit Olaf Wollschläger will ich ja nicht
runterreden, aber wenn ich weiter in die Platte
einsteige, vergesse ich doch glatt, welche von den
letzten Mesh-Alben ich doch gerade aufgelegt habe.
Wollschlägers Einheitsbrei in Puncto Mesh wirkt sich für
mich dann doch langsam negativ für die Band aus. Mesh
setzen keine Akzente mehr. Im Gegensatz zu solchen
innovativen Alben wie „The Point witch will fall us
apart“ oder „Who watches over me“.
Schade
eigentlich, da die Kompositionen für mich wirklich
Hitpotenzial haben. Aber in der Summe leider nicht so,
wie ich es mir erhofft habe. Trotz allem prophezeie ich
Mark und Richard viel Erfolg mit der Platte. Gerade auch
weil es mit Sicherheit nicht einfach ist, einen würdigen
Nachfolger für das 2013er „Automation Baby“ in die Welt
freizulassen. In der Summe haben sie das Klassenziel
zwar erreicht, allerdings ohne einen süßen
langanhaltenden Nachgeschmack zu verursachen.
Es bleibt
aber zu erwarten, dass Mesh die Defizite der neuen
Platte auf den kommenden Konzerten im September/Oktober
locker wieder gut machen. Denn Livepotenzial haben die
Stücke auf jeden Fall. Mit Schlagzeug und Gitarre werden
sie den Stücken noch mehr Leben einhauchen. Bestimmt!
24.05.2016: De/Vision
- 13
Es
gibt wohl kaum eine Band aus Deutschland, die im
Mainstream immer wieder so unterschätzt wird wie
De/Vision. Dabei sind die Jungs musikalisch so breit
aufgestellt wie kaum eine andere Band. Mal rockig, mal
Electro, mal eher verhalten und mal voll auf die Fresse.
Musikalisch relevant sind De/Vision für mich erst seit
1999 mit dem Album „Void“. Da hatten sie ihren ersten
Höhepunkt bereits hinter sich gebracht. Das „Void“-Album
ist für mich in den folgenden Jahren immer wieder ein
Standard gewesen, an dem ich De/Vision gemessen habe und
wo es immer schwer war, eine ebenbürtige Platte in ihrem
Repertoire zu finden.
Jetzt
legen De/Vision bereits ihr dreizehntes Album mit dem
einfallsreichen Namen „13“ vor, und ich hüpfe vor Freude
durch die Wohnung. Denn mit dieser Platte spielen sie
alle Camouflages und Meshs der Welt locker an die Wand.
Die Mischung aus Electroeinflüssen und konventioneller
Rock/Popmusik werden aufgebrochen und neu definiert.
Warum ich sie mit Camouflage oder Mesh vergleiche? Nun
ja, die Musik dieser drei Bands ist nahezu austauschbar
und man fragt sich, wer das Rad neu erfunden hat. Und so
toll auch die Platten der anderen beiden Bands sind,
De/Vision stechen immer wieder daraus hervor.
Egal ob es
das fast schon dreckige „Who I am“ oder dann wieder das
poplastige „Essence“ ist, welches in der Zielgrade ein
tolles musikalisches Finale feiert. Der Einstieg in die
Platte ist schon mal verdammt gut gelungen.
Und der
Faden an guten Klängen führt sich durch die Platte
weiter. „Where is the light“ ist ebenso eine Perle wie
das schwergängige „Prisoner“. Dabei fällt mir auf, dass
Steffen Keth in den letzten Jahren auch ein respektabler
Sänger geworden ist, wenn man ihn mit den Frühwerken der
Band vergleicht.
Bemerkenswert finde ich die Veröffentlichungsformen von
„13“. Bereits zum zweiten Mal finanzieren De/Vision ihre
Platte mittels Crowd-Founding in Form einer
Pledge-Kampagne. So kommen die Fans in den Genuss
besonderer Versionen der Platte. Box-Sets,
Vinylpressungen etc.
De/Vision
zeigen mit „13“, wie sehr sie gewachsen sind im Laufe
der Jahre. Mainstream ist kein Thema mehr. Steffen und
Thomas machen ihr ganz eigenes Ding, welches nicht nur
hier zu Lande seinesgleichen sucht.
22.05.2016: NINA -
Beyond Memory EP
NINA
ist gar nicht mehr ein so unbeschriebenes Blatt. Als
Support Act (u.a. Erasure) ist die Berlinerin mit
Wohnsitz in London bereits seit einiger Zeit erfolgreich
unterwegs.
Jetzt legt
NINA ihre neue EP „Beyond Memory“ vor, die mich ein
bißchen in der Vergangenheit schwelgen lässt. Der
Titeltrack „Beyond Memory“ erinnert mich ein wenig an
die gute alte Zeit des Electropop oder stellenweise auch
an den Italopop der Achtziger. Die Arragements sind
nicht kopiert, sondern angelehnt, und vor meinem
geistigen Auge schwebt keine geringere als Valarie Dore
durch den Raum. Was weiß Gott keine schlechte Referenz
ist. Der Track macht Spaß und zeigt auf, dass neben
LaRoux und Robyn weiterer Platz frei ist, wo auch
Künstlerinnen dem Revival der Achtziger folgen, ohne
billig zu klingen.
Beim dem
zweiten Stück holen wir den Weichzeichner mal raus und
träumen vor uns hin. „Purple Sun“ würde ich jetzt nicht
als Engtanzballade abstempeln wollen. Der Track ist
schon fett und steht dem Titeltrack der EP in nichts
nach.
Dass aber
auch in der Komposition von „Purple Sun“ mehr stecken
kann, zeigt der anschliessende „Ocillian Sun Dream Remix“,
der aus „Purple Sun“ einen angenehmen Floorfiller macht.
NINA
überbrückt mit der EP ganz wunderbar die Wartezeit bis
zu Ihrem kommenden Album, bei dem sie mit keinem
geringeren als mit Richard X (New Order, Erasure,
Depeche Mode) zusammen arbeiten wird. Von daher wird es
nicht langweilig für NINA. Im Herbst 2016 kann man sie
dann auch live als Supportact für De/Vision erleben.
Ach,
was soll ich denn sagen? Da sind sie wieder. Auch die
Pet Shop Boys, mittlerweile auch schon mehr als dreißig
Jahre erfolgreich, leben immer noch und schicken sich
an, es den jungen Künstlern (?) von heute nochmal zu
zeigen.
„Super“
heißt ihr dreizehntes Album und ich gestehe, ich war
nicht wirklich darauf erpicht, noch ein weiteres Album
zu ertragen. Haben Neil Tennant und Chris Lowe mit ihrem
vorvorletzten Album „Yes“ (2009) ihren Zenit im Herbst
ihrer Karriere markiert und mit dem luftleeren Album „Elyseum“
(2012) bewiesen, dass die Luft jetzt raus ist und die
Party dem Ende entgegen geht. Dann, nicht einmal ein
Jahr nach „Elyseum“ überraschten sie mit dem Album
„Electric“ (2013) in der Art, dass sie eine verdrehte
Mischung aus Bobby Orlando-Sounds und nervigem Gefiepe
produzieren, mit dem sie sich bei mir ein Stück weiter
ins Abseits befördert haben.
Nun also
„Super“. Langsam muss den beiden doch die Reihe an
Schlagwörtern für irgendwelche Alben ausgehen. Wie mir
dabei auffällt, sind die Albumtitel der Pet Shop Boys
immer schon kurz und prägnant gewesen. „Please“, „Very“,
„Yes“… Neil Tennant muss Martin Gore dafür hassen, dass
der Name „Ultra“ bereits vergeben ist.
Was mir
als erstes bei „Super“ auffällt ist, dass die Pet Shop
Boys wieder ein Stück dazu zurückgegangen sind, Songs zu
schreiben. Während „Electric“ nur noch Tracks beinhaltet
hat, findet man diesmal wieder einige wirklich tolle
Popperlen, wie z.B. die erste Single „Pop Kids“ oder das
wundervolle „Twenty Something“, bei dem ich beim Intro
irgendwie an die Stimmung aus alten „Actually“-Tagen
erinnert werde. Ebenso geht es mir beim Intro von „Groovy“.
Wenn sie was können, dann ist es Popmusik produzieren,
und auch wenn sie diese nicht neu erfinden, definieren
sie die Popmusik immer wieder überraschend neu. Die
Mischung aus Disco und Pop ist die Grundessenz von
„Super“ Und sie setzen sich damit von so einigen
Weggefährten gleichen Semesters gekonnt ab. Wer kein
Hintergrundwissen bei den Pet Shop Boys hat, wird beim
Hören der Platte nicht vermuten, dass die beiden Akteure
schon um die sechzig Jahre auf dem Buckel haben. In dem
Fall kann man sagen, Popmusik hält jung.
Aber
zurück zur Platte, natürlich hat auch „Electric“ seine
Spuren auf „Super“ hinterlassen. Aber ich fühle mich
nicht in der Gay-Disco eingesperrt, sondern kann mich
auf „Super“ austoben. Als absolute Highlights sind für
mich auf jeden Fall „Pazzo!“ und „Inner Sanctum“ zu
empfehlen. Ich komme fast aus dem Schwärmen nicht wieder
raus. So gefesselt bin ich von der Athmosphäre von
„Inner Sanctum“
Mit
„Super“ haben sich die Pet Shop nach den beiden eher
enttäuschenden Alben wieder zurückgemeldet und machen
wieder Spaß. Unterstützt wird die Freude dann auch noch
dadurch, dass sie gegen Ende des Jahres dann auch wieder
auf Tour gehen werden. Und wer die Pet Shop Boys mal
live gesehen hat, der weiß, dass es mit sehr viel Spaß
verbunden ist. Mit der „Super“ im Gepäck wird es eine
riesige Disco-Party werden. Versprochen!
26.03.2016: Karl
Bartos - Communication
Es
ist ja immer wieder das gleiche. Wenn ein Musiker eine
äußerst erfolgreiche innovative Band verlässt Wer weiß
schon, welche Auswirkungen es haben kann. Das gab es im
Rock`n Roll schon zur Genüge, und auch in der
elektronischen Musik kommt das schon mal vor. Aber was
bleibt dann übrig? Wer war jetzt wichtiger, der Musiker
oder die Band? Wo war der kreative Mittelpunkt, und wer
hat seine Spuren wo hinterlassen?
Bei
KRAFTWERK war es für mich immer die Einheit
Hütter-Schneider gewesen. In früheren Jahren war mir
oftmals nicht bewusst, welche Rolle Karl Bartos bei
KRAFTWERK gespielt hat. Nachdem Bartos KRAFTWERK 1995
verlassen hatte, hatte er sich vorerst zurück gezogen.
Bis er 2003 sein erstes Album „Communication“
veröffentlichte. Dass ein Vakuum bei KRAFTWERK
entstanden sein muss, hatte man zu Zeiten des
EXPO-Soundtracks vermutet. Das habe ich allerdings auf
die fortschreitende Entwicklung der elektronischen Musik
bezogen. Bei „Communication“ war es dann offensichtlich
geworden, wo die Kreativität bei KRAFTWERK geblieben
ist. Karl Bartos hat sie mitgenommen und hat ein Album
geschaffen, welches sich viele mit Sicherheit aus dem
Hause Kling-Klang gewünscht hätten. Natürlich klingen
die Voices ähnlich denen, die man auch früher bei
KRAFTWERK gehört hat, wobei Bartos im Vergleich zu
seiner Vorband angefangen hat, mit der Musik und den
Klängen wieder zu spielen. Stücke wie „15 Minutes of
Fame“ oder auch „Electric Apeman“ klingen locker und
verspielt, und Bartos singt nicht nur durch den Vocoder
welches ihn wieder mehr menschlich erscheinen lässt.
Da „Communication“
2003 bei seiner Erstveröffentlichung durch eine
zeitgleiche Veröffentlichung der „Tour de France
Soundtracks“ völlig zu Unrecht in den Schatten gestellt
wurde, wird das Album jetzt nochmals veröffentlicht. Und
diesmal ist die dem Album geschenkte Aufmerksamkeit mehr
als berechtigt. Selbst 13 Jahre nach der
Veröffentlichung klingen die Sounds mehr als frisch und
aktuell. Auch wenn Karl Bartos die elektronische
Tanzmusik nicht neu erfindet, befindet man sich auf
einer interessanten Zeitreise, ohne dass die Platte an
irgendeiner Stelle Staub ansetzen würde.
Das
Kernthema der Kommunikation zieht sich durch das gesamte
Album, und trotz oder vielleicht auch gerade wegen des
Themas zeigt sich, dass es auch die ganzen Jahre über
nicht an Aktualität verloren hat. Vielleicht ist es eher
eine Vision auf das, was wir heute erst haben.
Kommunikation ist allen Bereichen. Informationen werden
noch mehr konsumiert als damals noch, und es wird
täglich mehr. Damit hat sich Karl Bartos auf seine Art
auseinandergesetzt und Weitsicht im Blick zurück nach
vorne gewagt.
Während
Ralf Hütter seit mittlerweile 13 Jahren immer noch davon
träumt, ein Roboter zu sein, so nimmt Karl Bartos die
Maske ab und lächelt. Das zeitlose Dokument zeigt auch
auf, dass Bartos ein wichtiger Teil einer Band gewesen
ist, die mit Sicherheit ohne sein Zutun es nicht
geschafft hätte, vor dreißig bis vierzig Jahren uns
bereits die Zukunft so auf zu zeichnen.
Karl
Bartos war ein Roboter, der tadellos funktionierte.
Jetzt wird kommuniziert. Und ich höre ihm gerne dabei
zu.
19.03.2016: Mono Inc.
- LIVE (BlueRay/DVD)
Wenn
ich so überlege, ist es knapp ein Jahr her, dass ich
gefragt wurde, ob ich nicht mal in das kommende Album
von Mono Inc. rein lauschen wolle. Die Machart mit
Cowboy und Wüste hatte mich damals irritiert, aber auch
neugierig gemacht. Hatte ich mich doch sonst nie
sonderlich mit ihnen beschäftigt. Aber „Terlingua“ hat
für mich viele Sprachen gesprochen und mir gezeigt, wie
vielfältig diese Band sein kann. Dann ein Treffen mit
Martin Engler und Carl Fornia, wo noch über die kommende
Tour philosophiert wurde. Und leider hab ich dann auch
noch das Konzert verpasst. Es hatte nicht sollen sein.
So habe ich aber bis heute auch keine Vorstellung, wie
ein Mono Inc.-Konzert denn wirklich ist.
Wenn man
mit einer Tour mehr als zufrieden ist, gehört es heute
zum guten Ton, am Ende eine Live-DVD zu produzieren. Das
haben sich auch Engler und Co. Gedacht, und so schaue
ich gerade zum x-ten Mal mittlerweile die erste Mono
Inc.- DVD mit dem simplen Namen „Live“. Und ich bin echt
überrascht von der Bühnenpresenz der Band. Natürlich
lebt so ein Konzert von der Show, die geboten wird. Mit
Licht, Feuer und einem guten Frontmann. Und Martin
Engler ist, auch wenn ich ihn nicht schon einmal kennen
gelernt hätte, so eine sympathische Person, den man in
sein Herz schließen muss. Umgeben von Carl und Manuel
Antoni wird das Ganze nur noch durch das äußerst
strahlende Lächeln von Drummerin Katha Mia in den
Schatten gestellt. Die Band legt eine Spielfreude an
den Tag, die ich eigentlich bei einer Band, die eher dem
düsternden Rock zugewandt ist, so offensichtlich nicht
erwartet hätte. Es wird gelacht auf der Bühne, trotz
aller Posen, und auch auf der DVD kann man eine gewisse
Interaktion mit dem Publikum wahrnehmen.
Aufgenommen wurde das Konzert im ehrwürdigen Dresdener
„Alter Schlachthof“ und bietet einen Querschnitt durch
die letzten Alben von Mono Inc. Und zu keinem Zeitpunkt
entsteht eine Lücke im Programm. Es gibt für mich keine
Fülltitel, selbst das Gary Moore-Cover „After the war“,
welches Mono Inc. 2012 zum Albumtiteltrack gemacht
haben, oder auch „Chasing Cars“, im Original von Snow
Patrol , finden ihren berechtigten eigenen Platz in der
Setlist.
Natürlich
wurde in der Nachproduktion noch am Ton gefeilt. Das
macht ja jeder, aber die Tonspur klingt für mich nicht
überproduziert und unecht. Die Bildqualität lässt für
mich keinen Wunsch offen. Alle Gegebenheiten der Show
sind sehr gut und authentisch eingefangen, und auch beim
genauen Hinschauen kann ich an der Bildqualität an sich
nichts aussetzen. Da habe ich von anderen Künstlern
schon weitaus wünschenswertere Live-DVDs zu Gesicht
bekommen.
Schließt
sich mit der DVD ein Zyklus? Nein, es ist eine
Zwischenbilanz, wo Mono Inc. jetzt gerade stehen.
Derzeit sind sie immer noch auf großer Deutschland-Tour
die im Anschluss dann in eine Unplugged-Tour übergehen
wird. Die DVD ist nicht nur für Fans sondern auch für
Neueinsteiger mehr als empfehlenswert.
15.02.2016: Jeanne
Added - Be Sensational
Extravagant?
Extraordinär?
Sensationell? Immer wenn es um Künstler aus dem
Französischen geht, fallen einem meist solche Begriffe
ein. Alles, was aus Frankreich kommt, kann gar nicht
normal sein und sich mit dem üblichen Mainstream messen
lassen. Dabei bringt gerade auch der französische Markt
immer wieder Überraschungen, mit denen man so nicht
gerechnet hat.
Die neue
musikalische Überraschung soll nun also Jeanne Added
sein. Mal aneckend und mal anmutend. Aber immer etwas
anders als alles andere. So werde ich dann auch von
ihrem Debutalbum, das eher zurückhaltend „Be Sensational“
getauft wurde, empfangen. Die Warnung „A War is coming“
ist der Einstieg, wobei die Stimme von Jeanne Added
immer eindringlicher wird. Unterlegt wird das ganze von
einem Mix aus Electroclash und teilweise klassischen
Rockakkorden. Es klingt sehr vielversprechend, was da
auf meine Ohren trifft. Wobei Jeanne Added hier dann
doch auf Nummer Sicher geht und lieber die englische
Sprache nutzt. Das tut der Schrägheit aber keinen
Abbruch. Schon der Opener kann sich international messen
lassen.
Stücke wie
das treibende „It“ oder auch „Back to Summer“ wirken für
mich gerade in höheren Lautstärken extrem animierend,
das Tanzbein zu schwingen. Wobei der Glaube, dass „Be
Sensational“ ein reines Tanzalbum ist, weit gefehlt ist.
Gerade das pompöse albumbetitelnde Titelstück lässt
erahnen, dass Jeanne Added eine gute musikalische
Ausbildung genossen hat. Die Arrangements sind sehr
einfühlend, nahezu klassisch. Die dramatischen
Streichersequenzen, die Percussions, all das lässt einem
das Blut in den Adern gefrieren. Wer auf seinem
Erstlingswerk solche Klänge unterbringt, lässt auf
weitere Ergüsse hoffen.
Kann
Popmusik anspruchsvoll sein? In diesem Falle auf jeden
Fall. In diesem Fall hat Jeanne Added die eigene
Messlatte gleich zu Beginn sehr weit oben angelegt. Zu
Recht.
Wer sich
einen ersten Eindruck von Jeanne Added machen möchte,
dem sei das Youtube-Video von der Deezer-Session
wärmstens zu empfehlen. Es zeigt, wie viel Kraft und
Energie in der Platte liegt; und ein kleiner Tipp am
Rande, hört es laut!!!
29.10.2015: Dave Gahan & Soulsavers - Angels & Ghosts
Da
ist es ja nun endlich. Alle haben drauf gewartet und
jetzt wird es heiß diskutiert. Ist Dave Gahan noch der
Tanzbär von Depeche Mode, oder ist er was viel Größeres
geworden. Schon bei dem ersten Album mit den Soulsavers
hat Dave Gahan eine ganz neue Seite gezeigt, die ihm
leider nicht jeder abnehmen will. Der Mann hat den Blues
und den Soul für sich entdeckt. Das ist Fakt. Ich wage
auch zu behaupten, dass sein Einfluss auf das letzte
Album von Depeche Mode weitaus größer war, als viele
zugeben möchten.
„Angels &
Ghosts“ macht im Grunde genau da weiter, wo „The Light
the dead see“ aufgehört hat. Nur, dass Dave Gahan und
Rich Machin eine gewaltige Schippe oben drauf gepackt
haben. Das Album hat mehr Dampf und ist noch mehr
bepackt mit wahren Perlen. Ob nun die Blues/Gospelhymne
„Shine“, die Dave nach den Berliner Wasserspielen 2013
eingefallen ist oder gleich das folgende „You owe me“.
Ich falle in einen Strudel aus Bildern in meinem Kopf,
die auch nach dem Album nicht verblassen wollen.
So eine
Platte kann man nicht besser ankündigen, als mit einem
Stück wie „All of this and nothing“. Vom ersten Moment
an hat Dave Gahan mir gezeigt, dass es ein Leben nach
Depeche Mode geben könnte, wenn nicht sogar ein Leben
nach dem Tod. Natürlich wollen wir ihn alle weiter als
Tanzmaus auf der Depeche Mode-Bühne sehen, aber ich
glaube daran, dass der Mann uns noch lange erhalten
bleiben wird. Dabei ist er ein bisschen der Ronan
Keating der Fiftys-Generation. Er wird nun mal das
DM-Image nicht los, auch wenn er noch so tolle Platten
macht. Und da kommen die Kritiker dann auf den Plan, die
sich über Daves Ambitionen hermachen, organische Musik
zu machen.
Mein
absoluter Höhepunkt auf der Platte ist dann „Don’t cry“.
Dave leidet so schön, dass man sich von dem Gefühl
anstecken lässt, seinen Nächsten in den Arm zu nehmen
und tröstende Worte zu spenden.
Würde man
mich fragen, wer besser ist, Dave Gahan und die
Soulsavers oder Dave Gahan und Depeche Mode, würde man
mich in eine Zwickmühle bringen. Ich könnte diese Frage
nach einem Stück wie „My Sun“ nicht mehr ehrlich
beantworten. Es ist, als wenn Gahan das Licht am Ende
des Tunnels gesehen hat und uns den Trost spendet, dass
alles irgendwann mal gut wird. Und wenn ich den Track
als Endtrack höre, glaube ich ganz fest daran.
Und
genauso, wie ich mir nach „The light the dead see“
gewünscht habe, dass es irgendwann mal in dieser
Konstellation weiter geht, so kommen schon jetzt bei mir
Wünsche auf, dass es auch nach „Angels & Ghosts“
irgendwann weiter gehen wird. Ich bin auf jeden Fall
dann dabei.
29.10.2015: Eisfabrik - Eisplanet
Von
Mal zu Mal werden neue Formationen in der Elektroszene
aus dem Boden gestampft, die sich in irgendwelchen
Elektropop-Projekten verlieren. Einfallslos, talentlos.
Ab und zu sticht dann aber auch mal ein Projekt unter
der ganzen billigen Ware hervor, wo es sich lohnt, ein
zweites und auch gerne ein drittes Mal zuzuhören.
Zu
letzterem gehört mit Sicherheit das Projekt Eisfabrik.
Mit „Eisplanet“ legt die Band ihr zweites Album vor und
siedelt sich irgendwo zwischen den Stilen von VNV
Nation, SITD oder Seabound an, was diesmal keine
schlechte Referenz ist. Die Landschaft, die auf
„Eisplanet“ gezeichnet wird, ist kalt und einsam. Weiten
von Schnee und Eis, und man fühlt sich in dieser
Atmosphäre beinahe gefangen.
Eisplanet
bauen mit dieser Platte ein Konzept auf, von dem sie
auch die gesamte Platte über nicht sonderlich abweichen.
Wobei aber keine Langeweile aufkommt. „Walking towards
the sun“ oder „White Storm“ gehören bereits beim ersten
Durchlauf zu meinen Favoriten. Das Wechselspiel zwischen
deutschen und englischen Texten wirkt sich überhaupt
nicht negativ auf die Stimmung der Platte aus. Dabei
weiß man ja, dass es mit deutschen Texten schnell mal
holprig werden kann.
Die Tracks
laden allesamt zum Tanzen ein. Nicht nur durch die
harten Beats, sondern auch durch Melodien, wo
stellenweise auch ein Ronan Harris neidisch werden
könnte. Ich neige dazu zu sagen, dass „Eisplanet“
stellenweise da weitermacht, wo VNV Nation aufgehört
haben, innovativ zu sein.
19.10.2015: New Order - Music Complete
Es
passiert ja immer wieder, dass sogenannte 80er Bands
sich mal wieder melden und eine neue Platte machen. Das
kann oft ganz nett sein, oder voll in die Hose gehen.
Wenn so eine Band nicht gerade Depeche Mode oder U2
heißt, die zur Not auch Sonderangebote im Baumarkt
erfolgreich vertonen könnten, wird ein Überlebenszeichen
oft nur müde belächelt und schnell vergessen.
Nach
dem, welche Reaktionen alleine schon die Nachricht, dass
New Order jetzt bei dem Kult-Label Mute-Records unter
Vertrag sind, hervorgerufen hat, muss das erste
Fulltimealbum seit 2005 (Waiting for the Sirens Call)
ein Meisterwerk sein. Mute würde wohl kaum irgendwelchen
abgehalfterten Helden eine schlechte Bühne bieten wollen
und seinen eigenen traditionsreichen Namen in den Dreck
ziehen wollen.
Dabei war es ja gar nicht so klar, ob es New Order jetzt
noch gibt oder nicht. Schließlich hatte ja Peter Hook
von seiner Seite aus erklärt, dass er die Band verlässt
und es New Order fortan nicht mehr geben würde. Er hätte
das evtl. im Vorwege mit Bernard Sumner & Co. Besprechen
sollen.
Jetzt sind New Order zumindest wieder da. Hooky wurde
erfolgreich durch Phil Chapman ersetzt und Phil
Cunningham als zusätzliche musikalische Kraft
rekrutiert. Eine Frischzellenkur, die der Band
anscheinend sehr gut getan hat.
„Music Complete“ ist wohl das erste New Order-Album,
welches mir vom Anfang an gefällt. Obwohl man zugeben
muss, dass mit der Vorabsingle „Restless“ nicht
unbedingt das beste Pferd im Stall ins Rennen geschickt
wurde. „Restless“ ist am ehesten als Bindeglied zwischen
der alten und der neuen Band zu sehen. Das
Neworderische-Gitarrenspiel, welches Peter Hook früher
eingebracht hat, steht nicht ganz so im Fokus, aber ein
dezenter Verweis ist trotzdem vorhanden. Wenn man bei
so einer Platte davon sprechen kann, dass sie
potenzielle Hits enthält, dann ist für mich „Singularity“
wohl das beste Beispiel. So frisch und tanzanimierend
habe ich es nicht erwartet. Ebenso ist es aber auch mit
„Plastic“. Dass hier eine Band am Werke ist, die bereits
auf mehr als 35 Jahre Musikgeschichte zurück blicken
kann, muss einem erst mal klar werden.
New
Order haben sich auf „Music Complete“ auch soweit
geöffnet und einen Brückenschlag zu aktuellen Bands und
Künstlern getätigt. So wird Bernard Sumner u.a. von Elly
Jacksen (LaRoux), Brandon Flowers (The Killers) und
keinem geringeren als Iggy Pop bei den Vocals
unterstützt. Gerade bei „Tutti Frutti“ zeigt sich,
welche Bandbreite an musikalischer Inspiration dort am
Werk gewesen ist. Stephen Morris, der in den letzten
Jahren sein Faible für elektronische Tanzmusik
wiederenddeckt hat, Elly Jackson im Background, Tom
Rowlands (Chemical Brothers), der den Track produziert
hat und Richard X (Pet Shop Boys, Depeche Mode,
Goldfrapp), der alles mischte. Hier ziehen New Order
gewaltig vom Leder und brauchen sich nicht hinter den
aktuellen Bands verstecken. Im Gegenteil, es wird sich
von den aktuellen Bands wohl kaum welche finden, die
nach der langen Zeit so frisch und ehrlich klingen.
„People on the high line“ kann nur noch mit eigenen
Waffen geschlagen werden. Muss ich seltsamerweise bei
dem Track am ehesten eine musikalische Assoziation mit
dem Überhit „Blue Monday“ finden.
Aber
jetzt Vorhang auf für Iggy Pop. Für den Track „Stray
Dog“ hat Iggy seine Lyrics eingesprochen. Seine dunkle
rauchige Stimme ergänzt den Soundtrack, bei dem ich mich
ernsthaft noch frage, ob das noch die New Order-Platte
ist. Sie ist es, und es reiht sich ein Hit an den
nächsten. Doch dann ziehen New Order die Bremse und mit
„Nothing but a fool“ fühle ich mich ein bisschen an
frühere Werke erinnert. Ohne diesen Zeiten
nachzutrauern, reißen New Order das Ruder rum und gemäß
dem Albumtitel zeigen New Order eine andere Seite,
nämlich die einer Band, die immer noch zusammen auch
einfach Musik machen kann.
Kann
so eine Platte dann noch ein Ende finden, welches einen
glücklich macht? Auf jeden Fall. Ich habe kaum eine
Platte gehört, die so ein Finale hat wie hier mit „Superheated“
Vor meinem geistigen Augen stehen Bernard Sumner und
Brandon Flowers, der wirklich verdammt gut in diesen
Track passt, im Goldregen und schmettern den
hymnenhaften Refrain, bevor sie Hand in Hand dem
Sonnenuntergang entgegen gehen. Der Schulterschluss der
Generationen ist geglückt.
Mit
„Music Complete“ kommt es mir vor, als hätten New Order
aus jeder Dekade der Bandgeschichte eine Prise
einfließen lassen. Eine Best-Of-Compilation, gespickt
mit Songs, die bisher nicht aufgenommen wurden.
25.08.2015: Joachim Witt - Ich
Oh!
Jetzt bin ich aber überrascht. Nachdem Joachim Witt mit
seinen letzten beiden Alben sehr einen auf dicke Büx
gemacht hat, hält sich der Herbergsvater auf „Ich“ eher
bedeckt. Keine großen Hymnen wie „Gloria“ oder
„Aufstehen“.
„Ich“
klingt gerade im Vergleich zum letzten Album „Neumond“
sehr akustisch und vielleicht auch altersweise. „Über
das Meer flüchtet der Wind; nimmt alles mit, was nicht
mehr stimmt“ singt Witt bei „Über das Meer“. Der alte
Mann, der auf dem Deich sitzt und seine Pfeife raucht.
Der „Wolle des Darkpop“ hat ausgedient.
Vielleicht
ist es auch gar nicht so verkehrt, dass die neue
Witt-Platte sich von dem Englerischen „Neumond“
distanziert. Joachim Witt findet zu sich zurück und
wartet auf Wunder. Das ist Joachim Witt, ungefiltert.
„Ich“
wurde diesmal auch nicht fremdproduziert, sondern
produziert, Aufgenommen und abgemischt von Joachim Witt
in Eigenregie. So entfernt er sich auch von seinen
Vorgängeralben, weil Witt hier ganz eigen ist. Düster,
ja das ist er immer noch. Aber die harten Bayreuth-Riffs
fehlen hier komplett. Das nimmt dem gesamten Album das
Tempo und verleitet nicht dazu, die Anlage voll
aufzudrehen, sondern oder genau jetzt mal wirklich auch
zuzuhören, was Joachim Witt zu sagen hat.
Stücke wie
„Bitte geh mir aus dem Weg“ oder „Hände hoch“ sprechen
ihre eigene Sprache. Joachim Witt spricht sein Gegenüber
direkt an. Mal hinterfragend, mal belehrend, wobei er
auch wieder teilweise recht klare Worte wählt. „Jedem
wird schlecht und jeder scheißt“, das traut sich nur ein
Joachim Witt in einem Stück wie „Wievielmal noch“. Die
Frage, wie viele Träume einem noch entstehen, kann auch
ein Witt nicht beantworten. Aber er scheint darauf
vorbereitet zu sein, dass man irgendwann aufhört zu
träumen.
Es hört
sich schon interessant an, was Joachim Witt 1971 so
alles erlebt hat. Der Refrain von „1971 oder Mädchen aus
Amerika“ erinnert mir ein wenig an die skurrilen Zeilen,
welche er schon zu Silberblick-Zeiten kreiert hat. Ob
sich jemand angesprochen fühlen wird?
„Ich“ ist
vielleicht wirklich das persönlichste Album von Joachim
Witt. Und, ich möchte es nicht beschwören, vielleicht
auch eine Platte, wo sich der Kreis schließen wird. Es
klingt wie ein Abschied. Ob von der Bühne oder von
seinem vergangenen Leben, das kann Joachim Witt nur
selbst beantworten.
25.08.2015: BOY - We Were Here
Ach
da sind sie ja wieder. Es hat ja lange gedauert, bis wir
endlich mal wieder was von BOY hören; dem Mädchenduo,
welches 2011 bereits mit dem Erstling „Mutual
Friends“
recht positive Resonanzen einfahren konnte.
„We Were Here“ strahlt
eine stimmige Ruhe für mich aus. Genau die Platte
braucht man, um auch mal runterzukommen und auf eine
Gedankenreise zu gehen. Die gleichnamige Single „We Were
Here“ klingt fast hymnenhaft, ohne aufdringlich zu
wirken. Und eröffnet ein ohrales Meisterwerk. Zugegeben,
bin ich ein Fan von
Valeska Steiners Stimme.
Sie könnte für mich auch das Telefonbuch runtersingen.
Es passt einfach perfekt zusammen.
Oftmals habe ich die Erfahrung gemacht, dass wenn die
aktuelle Single ein Album eröffnet, es danach nur noch
mit halber Kraft weitergehen kann. Aber bei „Fear“ werde
ich gleich eines Besseren belehrt. Der Track hat für
mich Hitpotenzial. So etwas möchte ich 2015 im Radio
hören, um positiv unterhalten zu werden. Komme ich aber
zu „Hit my Heart“, muss ich beinahe schon wieder meinen
Lieblingstrack der Platte neu definieren. „No Sleep for
Dreamer“ klingt für mich unheimlich bekannt, obwohl ich
diesen Track hier und jetzt das erste Mal hören darf.
Ebenso geht es mir bei „New York“ und bei „Rivers or
Oceans“. Ich fühle mich bei dieser Platte vom ersten Ton
heimisch und aufgehoben. BOY kreieren hier die Popmusik
2015 völlig neu und mit einer harmonischen Ruhe, dass
ich mich schon freue, an kalten Herbsttagen bei
Kerzenlicht diese Platte zu hören. „We Were Here“ wird
für mich ein wichtiger Bestandteil für den Soundtrack
für die kommende dunkle Jahreszeit.
Es ist schon fast peinlich, an dieser Platte absolut
nichts Negatives zu finden. Nach dem Achtungserfolg des
ersten Albums ist „We Were Here“ ein wichtiger, wenn
nicht vielleicht der wichtigste Baustein, der den Erfolg
von BOY manifestieren soll.
25.08.2015: Leichtmatrose - Du, ich und die anderen
Ich
muss ja zugeben, dass ich schon sehr lange auf diese
Platte gewartet habe. Angefixt durch die Single „Jonny
fand bei den Sternen sein Glück“ hat es doch noch gut
ein Jahr gedauert, bis der Leichtmatrose wieder im Hafen
fest macht. Aber das Warten hat sich mehr als gelohnt.
Abseits
der aktuellen Welle an abertausend neuen deutschen
Künstlern, schickt der Leichtmatrose den Hörer auf eine
falsche Route, um dann in den Untiefen des Wortes
eiskalt zuzuschlagen.
„Du, ich
und die anderen“, so der Titel des zweiten
Matrosen-Albums, ist nur so vollgestopft mit tollen
Melodien, die zeitweilig aus den Boxen tropfen. „You say
hello, und grienst und denkst und glaubst, das könnte
lässig sein. Ich denke nur, ich hau Dir Deine Fresse
ein…“ so werde ich bei „Dalai Lama“ empfangen. Vom
ersten Wort an bin ich von der Platte gefesselt.
Mastermind Andreas Stitz bewegt sich in schwulstigen
Phrasen und sagt doch nur das, was wir alle von den
Frauen halten, die uns auflaufen lassen.
Gerne wird
die Musik von Leichtmatrose als „organischer
Elektro-Chanson“ beschrieben. Das passt wie die Faust
aufs Auge. Während ich stimmungsvoll mit dem Fuß wippe,
stolpere ich über die bitteren Texte von „Sternenstaub“.
Hier wird das Thema vom Ende der Welt behandelt, dass
einem die süßen Bonsche im Hals stecken bleiben können.
Zu
„Jonny…“ brauche ich nicht mehr viel sagen, nur
vielleicht, dass ich es wirklich schade finde, dass die
Single letztes Jahr kommerziell nicht höher gestiegen
ist. Immer noch ein Hit! Ebenso wie „Hier drüben im
Graben“. Mal davon abgesehen, dass Joachim Witt den
Leichtmatrosen unterstützt, bekomme ich bei dem Stück
Bilder im Kopf. Ein Anti-Kriegslied, welches mit
Sicherheit an keinem genauen Krieg festzumachen ist. Für
mich zeichnen der Leichtmatrose und der Herbergsvater
ein Bild im ersten Weltkrieg auf. Ich bekomme bei der
Atmosphäre des Stückes eine Gänsehaut.
„Adieu
Marie“ ist ein weiterer Track, den ich ins Herz
geschlossen habe. Es kann so befreiend sein, sich von
einem Menschen zu trennen. Bitterböser Text, aber
treffend. Ein Stück, das ich mir sogar in den Clubs gut
vorstellen könnte.
Der
Herz-Schmerz, mit dem „Du, ich und die anderen“
vollgepackt ist, muss seine Zielgruppe finden. Nicht
viele deutsche Künstler schaffen es, das deutsche Wort
so anzuwenden, wie der Leichtmatrose auf dieser Platte.
Die Platte gehört für mich zu einer der besten
deutschsprachigen Platten, die bis jetzt 2015 erschienen
sind. Und ich kann mir kaum noch vorstellen, dass da
noch etwas kommen kann, was diese Platte übertreffen
könnte.
17.05.2015: Mono Inc. - Terlingua
Okay,
ich kenne Mono Inc. ja mittlerweile auch schon ein paar
Jahre, habe mich aber ehrlicherweise mit dieser Band
nicht so intensiv beschäftigt. Warum eigentlich?
Vielleicht, weil die Musik von Mono Inc. sehr eingängig
ist und in mir schnell Assoziationen mit der
UNHEILIG-Geschichte aufkommen, die eigentlich völlig
deplatziert sind. Im Zuge der Vorbereitung auf das Album
„Terlingua“ habe ich mich dann nochmal intensiv mit den
letzten Platten von Mono Inc. beschäftigt und trotz
aller Eingängigkeiten eine kontinuierliche
Weiterentwicklung dieser Band erkannt.
Wenn ich
mir jetzt das neue Album so betrachte, ohne vorher einen
Ton zu hören, denke ich, dass Mono Inc. jetzt halt auf
die Boss Hoss-Schiene aufsteigen wird. Zu schnell lasse
ich mich durch das Cover, welches Martin Engler in
bester Western-Pose zeigt, in die Irre führen. „Terlingua“
ist zwar ein kleiner Ort in Texas/USA, wo Mono Inc. das
Album aufgenommen haben, aber mehr Western gibt es nicht
auf der Platte. Zum Glück! „Terlingua“ startet sehr
kraftvoll mit „Mondschein“, und schon hänge ich drin in
der Platte. „Und unterm Mondschein lieb ich Dich…oder
willst Du ewig leben…“, singt Engler in seinem typischen
Gesangsstil, an den ich mich erst mal gewöhnen musste.
Aber „Mondschein“ ist gleich zum Beginn der Platte eine
Hymne. Ist das noch Darkrock?
Eine
potentielle Single in einem Album voller Hits zu finden,
ist schon schwer. Wenn es aber so sein sollte, wäre
„Heiland“ einer der besten Kandidaten. Treibender
Rhythmus und ein zuckersüßer Refrain ist doch das, was
man hören möchte. Ist das schon der frühe Höhepunkt von
„Terlingua“? Nein, für mich ist der persönliche
Höhepunkt auf jeden Fall die melancholische Ballade
„118“, welches die Stimmung beschreibt, wenn man den Ort
Terlingua über den einzigen Highway, der durch den Ort
führt, verlässt, nachdem man eine wunderschöne Zeit dort
verlebt hat. Doch es kommt für mich auch wie eine
verstärkte Hommage an The Cure vor. Die gesamte Stimmung
des Tracks lädt mich ein zum Innehalten, und wenn ich
die Augen schließe, kriege ich sehnsüchtige Bilder in
meinem Kopf.
Doch Mono
Inc. verlieren sich nicht in unendlich traurigen
Klängen. So werde ich von dem harten Riff von „Die Noten
Deines Lebens“ schnell in die Realität zurückgeholt.
Wenn irgendwo auf der Platte Western versteckt sein
sollte, dann am ehesten in „Still“. Das Stück treibt
gewaltig voran, und ich tänzel hier schon fast durch die
Bude. Ebenso bei dem albumtitelgebenden Stück „Terlingua“.
Hier darf Martin Engler den Cowboyhut aufsetzen und den
Saloon stürmen. Das Stück weckt Reiselust und zeigt
auch, welchen Eindruck die Landschaft in Texas bei Mono
Inc. hinterlassen hat.
Mit „Terlingua“
haben Mono Inc. eine Platte aufgenommen, die sie mit
Sicherheit weit weg von düsternden Szenebands
forttreibt, aber doch auch dort wieder in den
Vordergrund spült. Die Platte ist der perfekte
Soundtrack für meinen Frühling 2015, und ich freue mich
bereits wie Bolle auf die anstehenden Festivals und auf
die Headliner-Tour im Herbst/Winter 2015/16.
24.03.2015: Beyond
Obsession - Pieces of Machinery
Die
Reinkarnation des Electropop ist es jetzt nicht
unbedingt. Aber trotzdem haben Beyond Obsession etwas,
was anderen Bands in diesem Genre fehlt. Alleine durch
den charismatischen Frontmann Nils haben sie mit seiner
Stimme und seinem Auftreten Wiedererkennungswert.
Mit „Pieces
of Machinery“ legen Beyond Obsession nach „Listen, Learn
& Speak“ (2013) bereits ihren (ihren was??) nach. Die
Platte erinnert mich stark an die großen Bands der
Electroszene Anfang der 90er Jahre. Was wahrlich keine
schlechte Referenz darstellt. Stücke wie „Run to you“
oder auch „Black White Hearts“, welches vorab als
Gratis-Download angeboten wurde, haben schon das Zeug
für einen Floorfiller.
Besonders
sticht aber die Ballade „Let me go“ ins Auge. Die
Melodie und Traurigkeit, die hier ausgestrahlt wird,
zeigt auf, dass Electropop auch heute nicht seelenlos
sein muss. Ebenso wie das schwermütige „Failing“. Beide
Stücke bilden für mich das Herzstück der Platte.
Bei
Stücken wie „Unwinnable War“ oder auch das Albumtitel
gebende „Pieces of Machinery“ stecken in ihren
Startlöchern fest. Die Tracks sind unterhaltsam, aber
der gewisse Kniff bleibt für mich eher aus.
Dass
Beyond Obsession eine große Karriere bevorstehen kann
zeigt sich aber dadurch, dass kein geringerer als And
One-Mastermind Steve Naghavi die Jungs zu einer seiner
Lieblingsbands erhoben hat und sie gleich als Support
mit auf Tour genommen hat. Ebenso wie Steffen Keth
(De/Vision), der Beyond Obsession für sein Label
Popgefahr Records unter Vertrag genommen hat. Die Jungs
stecken zwar noch ein wenig in den musikalischen
Kinderschuhen, aber das Potenzial für größere Taten ist
klar erkennbar. Wir bleiben gespannt und lauschen
weiter.
18.03.2015: Neuroticfish - A Sign of Life
Ich
persönlich tue mich immer wieder schwer damit, wenn
Bands inkonsequent sind und den Rücktritt vom Rücktritt
erklären. Das birgt für mich immer wieder die Frage,
warum löst man eine Band oder ein Projekt auf mit dem
Statement, dass eine Mission beendet ist.
2008 löste
Sascha Mario Klein Neuroticfish auf, um sich endlich mal
anderen Projekten zu widmen, und weil Neuroticfish am
Ende seien. Jetzt, knappe sieben Jahre später sind sie
doch wieder da, und es hat sich nicht viel verändert.
Klein arbeitet wieder mit Henning Verlage zusammen, und
auch musikalisch haben sich Neuroticfish nicht weit von
ihren früheren Werken entfernt.
Natürlich
hat die Band mit dem ersten Video „Silence“ für Aufsehen
gesorgt. Der Bedarf an sogenanntem „Future Pop“ ist
halt immer noch nicht gedeckt. Und so können die beiden
mit dem Album „A Sign of Life“ auch gezielt punkten.
Eine Platte vollgepumpt mit Hardfloor-Tracks, welche
eigentlich so in den Clubs durchgespielt werden können
und die dunkle Masse zu schweißtreibenden
Dauertanzeinlagen hinreißt.
Schlagen
Neuroticfish denn auch irgendwo einen Bogen zu ihrer
eigenen Vergangenheit? Ja, auf amüsante Art. Gab es doch
den Neuroticfish-Schlachtruf „EBM is dead“, so stimmen
sie mittels Samples in dem Turbotrack „Is it dead“ den
EBM-Abgesang erneut an.
Fünfzehn
Tracks am Stück können mit der Zeit aber auch
anstrengend werden. Die Masse an Floorfillern bei „A
Sign of Life“ wird mir dann auch irgendwann zu viel.
Jeder einzelne Track funktioniert auf seine Weise. Im
Gesamten der Platte verliert man schnell aber den
Überblick, um für sich einzelne Höhepunkte zu
entdecken. Einzig vielleicht das geniale „The Creep“
mit den Gastvocals von Jaymie Valentine. „A Sign of
life“ ist trotzdem zu empfehlen, weil Klein und Verlage
hier eine Platte produziert haben, an der man so
eigentlich nicht vorbei kommt.
18.03.2015: Camouflage - Greyscale
Das
hat ja nun gedauert. Ganze neun Jahre habe sich
Camouflage Zeit genommen, einen Nachfolger für „Relocated“
fertig zu stellen. Aber das Warten hat sich gelohnt. „Greyscale“
setzt da an, wo „Relocated“ aufhört. Nahezu nahtlos
schließt die Platte an ihren Vorgänger an. Was nicht
heißt, dass Camouflage Altbewährtes aufgewärmt haben,
sondern eher, dass bereits die letzte Platte sehr
zukunftsorientiert gewesen ist.
Bereits
die erste Single „Shine“ machte einen großen Appetit auf
das kommende Album, und man wird nicht enttäuscht.
Natürlich ist „Shine“ der eingängigste Track auf dem
Album. Aber auch an anderen Stellen haben Camouflage
Duftmarken gesetzt, die „Greyscale“ zu einer
hörenswerten Platte machen. „Laughing“ ist gleich der
erste Beweis dafür. Mystische Melodien und Gitarrenriffs
laden dazu ein, etwas genauer hin zu hören.
Was mir an
den Platten von Camouflage mittlerweile sehr gefällt,
ist das gesangliche Zusammenspiel von Marcus Meyn und
Oliver Kreyssig. Ähnlich wie bei den musikalischen
Vorbildern aus Essex bietet Kreyssigs Part auf der
Platte eine interessante Abwechslung. „In the Cloud“
habe ich in diesem Zusammenhang gleich in mein Herz
geschlossen. Und da ist dann auch gleich ein Track mit
eingezogen, mit einer weiteren vertrauten Stimme. „Count
on me“ ist für mich ein besonderer Höhepunkt auf „Greyscale“
Wird Marcus Meyn von keinem geringeren, als von Peter
Heppner (ex-Wolfsheim) unterstützt. Bei den Melodien
kommen in mir ganz starke Erinnerungen an Wolfsheim auf.
So könnte es sich anhören, wenn es die Band noch geben
würde.
Ein
weiterer Hitaspirant ist das sehr eingängige „Misery“,
welches auch gut in den Clubs funktioniert. Camouflage
beweisen einmal mehr, welches Hitpotenzial immer noch in
dieser Band steckt. Aber dennoch ist „Greyscale“ kein
reines Dancealbum. Camouflage schlagen vermehrt düstere,
ruhige, teilweise auch nachdenkliche Klänge an.
Gespannt
bin ich jetzt auch die Liveumsetzung. Gehen Camouflage
jetzt auch endlich wieder auf Tour. Wer die Jungs schon
mal live gesehen hat, der weiß, dass auch das ein
besonderes Highlight ist. Und mit einer Platte wie „Greyscale
wird es diesmal nicht anders sein.“
20.02.2015: Nena - Oldschool
Nena?
Etwa die, die sich schon ein paar Mal neu erfunden hat?
Genau die. Und sie hat es wieder getan. Nena erfindet
sich neu und huldigt sich selbst mit ihrer neuen Platte,
wobei sie mit einem Augenzwinkern erkennt, dass sie „Oldschool“
ist. Dabei wirkt es endlich mal nicht peinlich, was Nena
da abliefert. In Zusammenarbeit mit Sammy Deluxe klingt
Nena so modern und ansprechend, wie selten in den
letzten Jahren.
Man kann sich
in die „Lieder von früher“ rein versetzen. Spricht sie
nicht gerade jetzt das an, was wir selber auch gerne
machen? Nämlich die alten Platten aufzulegen und zu den
Klängen unserer Vergangenheit zu tanzen oder mindestens
wehmütig zurück zu blicken. Und sie macht es doch nicht
anders.
Ich bin mit
jedem Durchlauf aufs Neue überrascht, was ich da höre.
In „Betonblock“ beispielsweise zeichnet Nena akustisch
eine Landschaft voller Graffiti und Tristesse. Aber auch
da gibt es immer noch positive Eindrücke.
Höre ich bei
„Oldschool“, dem Opener der Platte, oder auch bei „Mach
doch was ich will“ Einflüsse des Minimalismus der
NDW-Zeit? Auf jeden Fall ist eine Anlehnung an KRAFTWERK
unverkennbar. Aber auch ihre eigenen Einflüsse sind
unverkennbar. „Berufsjugendlich“ ist eine Mischung aus
Punk oder NDW à la IDEAL oder auch NENA. Ich bin fast
schon verwundert, dass Nena in ihrem Alter so klingen
kann. „Berufsjugendlich“ ist wohl das Stück, das Nena am
besten 2015 beschreibt.
Wenn ich die
Platte höre, bekomme ich gute Laune, und dafür muss Nena
erst fast 55 Jahre alt werden, damit ich freiwillig eine
Platte von ihr mehrmals höre. Aber es macht Spaß.
Beschreibt Nena ja irgendwie nicht nur sich selbst,
sondern auch die erste gesamte Generation ihrer Hörer,
die ja nun auch schon seit mehr als dreißig Jahren dabei
sind.
Darf Nena
denn so eine Platte noch mal machen? Ja, natürlich und
durch Sammy Deluxe klingt die Platte nicht peinlich.
Nena war immer schon etwas speziell und hat mit „Oldschool“
nochmals einen drauf gesetzt. Gespannt bin ich auch auf
die „Oldschool“-Clubtour, die Nena dann auch in
ungewohntere Umgebung für sie führen wird.
NENA „Oldschool“
Clubtour:
04.03.
Berlin – SO 36
06.03.
Luxemburg – Atelier Club
07.03.
Hagen – Pelmke Kulturhaus
09.03.
Braunschweig – Music Hall
10.03.
Bremen – Modernes
11.03.
Frankfurt – Batschkapp
13.03.
Basel – Rhypark Club
14.03.
Zürich – Kaufleuten Club
15.03.
München – Technikum
17.03.
Wolfhagen – Kulturstadthalle
18.03.
Würzburg – Postbahnhof
20.03.
Stuttgart – Wagenhallen
21.03.
Erfurt – Stadtgarten
22.03.
Wien – Arena Club
24.03.
Hamburg – Mojo
20.02.2015: Biomekkanik - Violently Beautiful
Fast
unbemerkt schleicht sich da ein Album an, auf das ich
mit Sicherheit insgeheim schon lange gewartet habe.
Ganze fünf Jahre hat es gedauert, bis Christer
Hermodsson einen Nachfolger für das
Biomekkanik-Erstlingswerk „State of Perfection“ (2009)
fertig gestellt hat. Aber das Warten hat sich gelohnt. „Violently
Beautiful“ schließt nahtlos an den Vorgänger an, ja
übertrifft ihn stellenweise um Längen.
Biomekkanik haben es geschafft, einen eigenen Stil zu
kreieren, der irgendwo zwischen Electronic und Crossover
angesiedelt ist. Bereits der Opener „Monumental Me“ gibt
ganz klar die Richtung vor und bestimmt auch das Tempo
der Platte. Der Track baut sich langsam auf, um dann
nahezu zu explodieren. Eine Platte, die es verdient hat,
laut gehört zu werden, eröffnet sich hier. Sehr tanzbar
und einladend. Floorfiller gibt es Track an Track. Ein
gutes Beispiel für tanzbare Melodien bietet u.a. auch
das schnelle „Kamikaze Playboy“. Für mich ein Track, der
in den Clubs gut anlaufen müsste.
Beinahe
hymnenhaft klingt der Titeltrack des Albums. „Violently
Beautiful“ baut sich monumental auf, um dann mit harten
Beats und Gitarrenriffs seine ganze Klasse raus zu
lassen. Geht das Album denn nur hart nach vorne? Nein,
nicht immer. „Melancholy Friend“ erinnert mich sehr
stark an „State Of Perfection“, den namengebenden Track
vom ersten Album. Es klingt aber nicht abgekupfert,
sondern die Stimmung des Tracks wurde transferiert und
erneut wieder gegeben. Hier zeigt es sich auch, dass
elektronische Musik nicht kühl und gefühllos klingen
muss.
Mit „Violently
Beautiful“ haben sich Biomekkanik ein gewaltiges Stück
näher an die Spitze der Szeneband ran geschlichen ohne
sich bei den andernen Bands billig zu bedienen sondern
eher, um selbst gute Akzente zu setzen. Ein Erfolg für
die Platte ist ihnen zu wünschen.
09.10.2014:
Irrlicht –
Près Du Miroir
Die
Schweiz hat neben Schokolade und Dj Bobo auch noch
anderes zu bieten. So zum Beispiel die Band Irrlicht.
Die Band veröffentlicht mit „Près Du Minor“ bereits ihr
9.Studioalbum, und ich frage mich, warum sie mir bisher
nicht aufgefallen sind.
„Près Du
Miroir“ bietet eine interessante Mischung aus
theatralischem Gesang und Sprechgesang gekoppelt mit
Dark Wave und Electroeinflüssen. Bereits das Intro „P“
hat eine mystische Grundstimmung, bei dem sich erst mal
meine Boxen verabschieden. Der Einstieg ist gelungen,
und ich lausche den gespenstischen Klängen, die jeden
Horrorfilm untermalen können.
In der
Sprache gehen Irrlicht auch sehr interessante Wege.
Teilweise in Deutsch, teilweise in Französisch klingen
die Tracks jedes für sich sehr eingängig. Thematisch
geht es bei „Près du Miroir„ (nahe beim Spiegel) um
Reflektion. Die Stücke bilden ein Konzentrat von
persönlichen und gesellschaftlichen Themen, welche die
Band während der Produktion beschäftigt und berührt
haben.
Als erstes
ist mir „La course des rats“ im Kopf hängen geblieben.
Ein Track, den ich gerne auch in den Clubs hören möchte.
Ein wenig stilistisch angelehnt an die Darkwave-Hits der
neunziger Jahre kommt es mir vor, als wenn ich den Track
seit langer Zeit schon lieb gewonnen habe. Ein weiterer
Aufhänger ist das schöne „Wenn Du da bist“. Sängerin
Daniela Dietz leidet sich sehr glaubhaft verzweifelt
durch die Zeilen, dass ich anfange mit ihr zu leiden.
„Près Du
Miroir“ bietet eine facettenreiche Reise durch die
düstere Welt von Irrlicht, wovon ich gerne mehr hören
möchte.
Und mehr wird
es auch geben. So bieten Irrlicht eine exclusive Version
von „La course des rats“ zum freien Download an:
Okay,
wenn man bedenkt, dass ich Erasure das erste Mal vor 29
Jahren zur Kenntnis genommen habe, ist es schon
beachtlich, was sich auch bei Vince Clarke und Andy Bell
so alles getan hat. Und ich hab seltsamerweise alles
gemocht, was die beiden veröffentlicht haben. Und jetzt?
Jetzt, 15 Alben nach „Wonderland“
dreht sich mit „The Violent Flame“ eine neue CD im
Player, die mich nach dem für mich leider
überproduzierten „Tomorrows Dance“-Album (2011) wieder
positiv anspricht. Natürlich müssen auch Erasure sehen,
dass sie dem Klang der Zeit folgen. Aber Vince Clarke
hat es gekonnt geschafft, auch seine diversen
Erfahrungen seiner Side-Projekte mit einfließen zu
lassen und trotzdem „The Violent Flame“ wie ein fast
schon klassisches Erasure-Album klingen zu lassen.
Schon beim ersten Hören
habe ich Stücke wie „Elevation“ und erst recht „Reason“
in mein Herz geschlossen. Genau so mag ich Andy und
Vince. Zuckersüße Klänge und eingängige Melodien, die
mich fröhlich stimmen. Andy Bell singt mit Inbrunst, und
es macht immer wieder Spaß, seiner Stimme zu lauschen.
„Be the one“ ist ein weiteres Beispiel dafür. Ich frage
mich ernsthaft, was der Mann mit seiner Stimme macht,
dass er sich immer noch so fit und einfühlsam geben
kann. Da bleiben andere Sangeskollegen mit ähnlicher
Dienstzeit schon langsam auf der Strecke.
Mit Richard X (u.a. Pet
Shop Boys, Depeche Mode, Sophie Ellis-Bextor) haben sich
Vince und Andy zwar auch wieder einen „modernen“
Produzenten zur Unterstützung eingeladen, der es aber
auch geschafft hat, Erasure nicht vor dem Publikum zu
veralbern. Erasure kokettieren mit den modernen Sound
ähnlich wie die Pet Shop Boys auf ihrem letzten Album,
schaffen es aber authentisch zu bleiben.
Live bringen Erasure die
neuen Stücke im Dezember auch auf deutsche Bühnen:
Dass
ich das noch erleben darf. Es gibt tatsächlich immer
noch Bands, die sich dem guten alten EBM verschworen
haben. Ohne große Neuerungen ins Repertoire aufzunehmen
einfach nur auf die Fresse. Damit lässt sich mit
Sicherheit immer noch eine goldene Mark verdienen.
„Turbine“
heißt also das neue Album von Blitzmaschine. Das zweite
Album einer Band, von der ich mich bereits zum ersten
Longplayer „Faustrecht“ (2011) fragte, ob man so etwas
überhaupt braucht. Ok, die Basslines kommen auf
„Turbine“ wieder sehr fett rüber, und bei der richtigen
Lautstärke fängt durchgehend das Bein an zu wippen. Aber
die gleichen Beats und Basslines habe ich doch schon auf
unzähligen DAF, Nitzer Ebb oder auch Die Krupps-Alben
gehört. Nur das ist mit Sicherheit schon gute zwanzig
Jahre her. Das Achtziger-Remake funktioniert für meinen
Geschmack nicht überall.
Was mich
allerdings wirklich erschreckt, ist die Tatsache, dass
bei meiner Webrecherche bei dem großen G gleich als
viertes das „Netz gegen rechts“ erscheint, wo die Frage,
ob Blitzmaschine einen rechten Hintergrund haben,
gestellt wird. Ich muss zugeben, dass diese Frage auch
schon bei mir aufgekommen ist. Mal abgesehen von den
englischen Texten, die in dem Genre sowieso keinen
interessieren, stellt sich z.B. bei „Burnout“ schon mal
die Frage. „Ist das hier noch Deutschland“ wird offen
gefragt. Aber eine Antwort bleiben Blitzmaschine
schuldig. „Alle haben nur noch Burnout, vor jedem
Investor sind wir kleinlaut…“.
Sollte es
wirklich so sein, dass heute auch in der EBM-Szene die
Springerstiefel nicht nur zum Tanzen angezogen werden?
Wenn dem so ist, wird es Zeit für mich, zu gehen.
Aber man
kann „Turbine“ nicht nur an „Burnout“ festmachen. Mit
Sicherheit nicht. Aber der bittere Nachgeschmack bleibt.
Da können mich dann auch einfältige Stücke wie „Gold“
nicht weiter begeistern. Kurzzeitiges Vergnügen kommt
allerhöchstens noch bei dem EBM-Ska-Track „Everybody“
auf. Wobei ich auch den zweiten Durchlauf nicht mehr
überstehe.
Ich
versuche immer, bei jeder Platte auch etwas Gutes zu
sehen, aber „Turbine“ von Blitzmaschine ist leider nicht
für meine Ohren gemacht. Natürlich werden sie ihre Szene
haben, die vor Freude mit den Hacken schlägt. Zu dieser
Hörerschaft werde ich allerdings nicht gehören. Da
bleibe ich dann doch lieber bei meinen guten alten
Meistern.
28.08.2014: Melotron - Werkschau
Wie
lange ist es eigentlich her, dass ich im Vorprogramm von
And One im Hamburger „Zillo“ ein seltsames Trio gesehen
habe, das mir in den folgenden Jahren so ans Herz
gewachsen ist? Das sind gut zwanzig Jahre. Und Melotron
gibt es immer noch, und sie werden von Album zu Album
immer besser.
Jetzt war
es also Zeit für eine Werkschau. Ein Blick zurück nach
vorne. Und ich bin überrascht. Hatten Melotron sich doch
einige Jahre Zeit gelassen mit dem Ergebnis. Das letzte
Fulltimealbum „Propaganda“ ist schon sieben Jahre her
und ich habe innerlich nicht mehr damit gerechnet, dass
sie nochmal wiederkommen.
„Werkschau“ ist aber keine einfache Best-Of-Compilation.
Melotron haben sich einige ältere Stücke vorgenommen und
neu interpretiert. Aber immer mit dem Ziel, sie nicht
besser zu machen, nur anders. Und gleich der Opener „Du
bist es nicht wert“ hat gleich eine ordentliche
Frischzellenkur erhalten. So gut, dass ich gleich
animiert bin, die Bude zu beschallen, und ich freue mich
wie ein kleiner Junge zu Weihnachten. Modern klingen
sie. Man merkt dem Track sein Alter gar nicht an.
Gleich in
mein Hirn gebrannt hat sich allerdings „Nur ein Licht“.
Ein neuer ruhiger Track, bei dem Andy Krüger
zerbrechlicher klingt, als je in den letzten Jahren. Auf
Platte hat mich seine Stimme schon immer sehr
interessiert. Hat er in frühen Jahren gerne wie ein
Pseudo-Dave gesungen, hat er spätestens seit der
„Sternenstaub“ (2003) seinen eigenen Stil gefunden.
Dass einer
meiner persönlichen Lieblingstracks von Melotron es auf
die „Werkschau“ geschafft hat, hat mich erst ängstlich
gemacht. Schnell kann ja die Illusion eines perfekten
Popsongs durch ein Remake zerstört werden. Aber auch
„Arroganz der Liebe“ hat die Frischzellenkur mit Bravour
bestanden.
Gibt es
denn außer Lobhuldigungen noch was anderes zu sagen? Ja,
mit „Das Herz“ haben Melotron sich etwas zur Aufgabe
gemacht, was mit Sicherheit gut gemeint war. Ok, wie
gesagt, es soll nicht immer besser sein, sondern auch
mal einfach mal anders klingen. Und das tut der Song
wahrlich. Mehr als Beats und Bass bleibt leider nicht
übrig und für meinen Geschmack definitiv zu wenig vom
Original.
Wer sich
bei der „Werkschau“ allerdings mit der einfachen CD
zufrieden gibt, dem entgeht etwas. Schon die ersten
Klänge von „Sommer“ lassen mich aufhorchen. Mir wird
bewusst, dass Melotron auch sehr gute neue Tracks
produzieren können, und ich muss mich immer wieder
fragen, warum Melotron in all den Jahren kommerziell
keine Punktlandung in der deutschen Musikszene hingelegt
haben.
Melotron
haben mir einen großen Gefallen getan mit der
„Werkschau“, und ich bin verblüfft, dass auch gerade
Stücke wie „Wohin“ oder „Wenn es nichts mehr gibt“ mir
immer noch eine Gänsehaut machen können. Und so freue
ich mich schon auf den Herbst, wenn man Melotron auch
endlich wieder live erleben kann.
22.07.2014: And One - Trilogie I.: Magnet - Propeller - Achtung
80
Was
soll das denn? Steve Naghavi, dieser kleine Mistkerl.
Immer dann, wenn ich mich mit Freuden hingebe, AndOne
und ihn im Besonderen zu hassen, kommt er daher und
macht eine neue Platte. Eine? Nein, diesmal will Naghavi
den Bogen komplett überspannen und kündigt im Größenwahn
gleich eine „Trilogie“ aus drei Alben an. Der Ausverkauf
geht weiter? Nix Auflösung, nix ist mit Abwechslung in
der Szene? Alle haben sich gefreut, dass Naghavi und
seine Paladine sich endlich verdrücken. Doch keiner hat
ein Bier getrunken, ohne zu bestellen. Der Wirt sticht
ein neues Fass an. Ich verstehe bis jetzt den Grund
nicht, warum Naghavi mich auf der offiziellen
Facebook-Seite teilweise blockiert, noch verstehe ich,
warum der Mann in seiner Einfältigkeit nicht mal so
konsequent ist, den Split von AndOne wirklich in die Tat
umzusetzen. Sie sind meiner Meinung nach sowieso nicht
in der Lage, nach „S.T.O.P“ (2012) und dem genialen
„Missing Track“ noch annähernd so etwas zu schaffen.
Trotzdem lausche ich jetzt der Trilogie und werde mir
mein Bild von den drei Alben machen.
Magnet
Die
AndOne-Floppydisk mit dem 08/15-Sound muss doch irgendwo
sein? Steve Naghavi muss das Studio auf den Kopf
gestellt haben, um die Klangmuster vergangener
AndOne-Alben irgendwo zu finden. Dann findet er die
Disk, nur sein schönes neues Studio hat kein
Diskettenlaufwerk mehr. Was nun? Naghavi muss sich
hinsetzen und neue Klänge kreieren. Neue Kompositionen
probieren. Er muss Musik machen. „Love needs a saving
hand“, der Opener der „Magnet“, überrascht mich jetzt
aber wirklich. Naghavi rückt weit ab vom typischen
AndOne-Sound. Gitarren werden angestimmt, fette Drums
und eine fast schon majestätische Stimmung baut sich
auf. Kein Partypop oder Weichspül-EBM. Natürlich hört
man die typische Melodieführung Naghavis schnell raus.
Auch seine Worte sind nach 25 Jahren nicht mehr neu,
aber auch bei „Zeit ohne Zeit“, einer netten
Electropop-Perle, stimmen AndOne andere Klänge an. „Love
is always on your side“ geht da schon im ersten Teil in
eine andere Richtung. Die Mischung aus Bodypop und
Gitarrenriffs klingt für mich befremdlich, dennoch drehe
ich das erste mal lauter, um tatsächlich etwas wie
Freude zu empfinden, wenn der Refrain „and
when I leave this world behind,
love is always on your side, it's not the end of human
kind, love is always on your side“
einsetzt. Der erste Hit des
Albums ist gefunden. Naghavi traut sich an längere
musikalische Soli, um dem Ganzen mehr Tiefe und
Hintergrund zu verpassen. Hier wird das weitergeführt,
was bereits auf „S.T.O.P“ angefangen hat. Doch dann
schafft Naghavi es tatsächlich, mir mit „Unter meiner
Uniform“ eine Nippelpelle zu verpassen. Steve Naghavi
schafft es, mit simplen Texten zum Nachdenken anzuregen,
und man sucht Parallelen.
Dass Steve
Naghavi sich auch gerne mal bei anderen Einflüssen
musikalisch bedient, ist kein Geheimnis. Das gibt er
selber zu. So fällt mir bei den Beats von „The other
side“ als erstes Joy Divisions „She’s lost control“ ein.
Keine schlechte Referenz, wie ich finde. Ich fühle mich
aber auch ein wenig an Thomas Dolby erinnert. Aber
können AndOne eigentlich auch rocken? „Love me“ geht
zumindest in die Richtung. Das Gitarrensample, die
Bassline – das passt. Sowas müssen andere Bands, die
ebenso wie AndOne mit Depeche Mode aufgewachsen sind,
erstmal schaffen, ein Electrorockblues zu kreieren. Ein
Wechselbad der Gefühle zieht sich durch „Magnet“, und
wenn man es genau betrachtet, haben sich AndOne von
ihren Wurzeln weiter weg entfernt. Vielleicht sehr spät
aber nicht zu spät. Naghavi steht zu seinen Einflüssen
und kokettiert offen mit Ihnen. Egal ob New Order, OMD
oder The Cure. Alles findet sich bewusst oder unbewusst
in „Magnet“ wieder. Die Platte hebt die Band auf das
nächste Level. Es bleibt nur zu hoffen, dass sie diese
Qualität auch live auf die Bühne transferieren können.
Propeller
Der
zweite Streich folgt zugleich. „Propeller“, die zweite
CD der Trilogie soll also jetzt mal härter auf den Floor
treiben. Mal ehrlich, wie soll das nach dem Einstieg mit
der „Magnet“ denn gehen. Und so bin ich auch ein wenig
irritiert. „Black Generation“ macht einen gewaltigen
Rückschritt. Natürlich treiben die Beats und Bass an
nach bester EBM-Manie. Aber hier wollen AndOne den Geist
vergangener Tage wiederbeleben. Wenn es laut ist, ist es
geil. Aber es ist so, wie es immer war. Da macht
„Männermusik“ doch mehr Spaß. Ob Gabi Delgardo von DAF
mal kreativ vorbei geschaut hat? „männermusik,
wir reiten in den stiefelkrieg, uns're weiber brauchen
druckanstieg,wir schmecken (hey!) wir lecken (hey!) wir
pressen (hey!) wir stressen (hey!)“
Darum geht es nunmal. Steve Naghavi ist EBMler und wird
es auch 2014 nicht mehr los. Schlüssiger kommt da schon
„Synchronizing Bodies“, wo sich Naghavi einen
gesanglichen Schlagabtausch mit Joke Jay liefert. Ja,
der darf auch wieder mitmachen und macht ebenso wie auf
der „Magnet“ eine gute Figur. Schade, dass er bei den
AndOne-Liveshows nicht noch mehr aus sich raus gehen
darf. Aber dann würde er Steve Naghavi wohl zumindest
stimmlich die Show stehlen. Viel bleibt für mich an
einzelnen Aufhängern bei der „Propeller“ leider nicht
hängen. Vielleicht noch „U-Bootkrieg in Ost-Berlin“,
welches schon sehr an die frühen 80er Jahre erinnert, so
dass der Track eigentlich auf der falschen Platte
gelandet ist. Die Platte funktioniert als richtigen
Einstieg in eine elektronische Partynacht, ohne
besondere Vorkommnisse.
Achtung 80
Wie
wäre es mit ein bisschen Synthiepop? AndOne greifen in
die Nostalgiekiste und reisen in die Vergangenheit. So
soll es uns zumindest der Albumtitel vormachen. Aber
AndOne sind nun mal AndOne. Auch wenn es hier und da ein
bisschen mehr piept und fiept, es sind AndOne. „Let’s
get higher“ macht aber Spaß. Ein Aspirant zum Sommerhit
am Baggersee, wenn die dunkle Szene mal bei Tageslicht
in die Fluten springt. Teilweise naiv, teilweise
kalkuliert. „My Angel“ greift da noch weiter in die
Trickkiste. Wo die Pet Shop Boys früher mal richtig gut
waren, nehmen AndOne jetzt den Platz ein.
„Somebodys Song“ – okay, jetzt mal raus
mit der Sprache. Ist das Steve Naghavi der da singt?
Nee, oder??? Hier haben AndOne mal alles raus geholt,
und zusammengewürfelt. Zuckersüßer Gesang, der mich an „LaBoum“
erinnert, Melodien, die Vince Clarke geschrieben haben
könnte, aber etwas mehr schmalzig, als man es ertragen
kann. Mir weint das Herz vor Rührung. Wer weckt mich aus
diesem Traum aus Zuckerwatte und Plüschbären? Aber statt
mich zu wecken, legen AndOne noch einen drauf. „Bad
Girl“ erinnert mich an die Twins und Italo Disco.
Wenn Steve Naghavi
nicht immer wieder mit einem Augenzwinkern seine Message
irgendwo verstecken würde: „they
call you bitch but you rather decide,that you'll take it
with a sense of delight.bad girl, bad girl, what are you
doing tonight?“
Auch mit
der “Achtung 80” scheinen AndOne mich mittlerweile
gepackt zu haben. Immerhin tänzel ich zu „The Fighter“
durch Zimmer und werfe mir das weiße Sakko über zu
meinem pinken Muskelshirt von Jean Pascale und den
weißen Slippern.
Natürlich
könnten einige Stücke von der Platte auf jedem anderen
AndOne-Album sein. „Girls on Girls“ z.B. ist so einer.
Er macht Spaß, tut nicht weh und könnte auch in jedem
Live-Set ein Spaßfaktor sein. So findet im Endeffekt
auch „Achtung 80“ seine Berechtigung.
Ist die
„Trilogie 1“ jetzt ein sinnloser Ausverkauf? Oder eine
Resteverwertung? Ich glaube nicht. Steve Naghavi scheint
einen übermäßig kreativen Flow zu haben und hat sich
durch das Konzept der Trilogie auch stilistisch
abgesetzt. Mit „Magnet“ einen weiteren Schritt nach
vorne gemacht. Von daher unterstütze ich die neue Platte
auch mit Begeisterung. Die Entscheidung, „Magnet“ als
Einzel-CD zu veröffentlichen und für den geneigten Fan
die beiden weiteren Platten nur im Bundle anzubieten
könnte strategisch gefährlich sein, gerade auch weil die
Trilogie nicht ganz billig ist. Aber selbst ich würde
bei der Qualität der einzelnen Alben zum Bundle greifen,
da ich auch die beiden Platten „Propeller“ und „Achtung
80“ in diesem Zyklus nicht missen möchte.
AndOne
sind mit „Magnet“ und der Trilogie nicht zurück, sie
sind da!
28.04.2014: Joachim
Witt - Neumond
Mp3 Download
Ach,
Joachim Witt macht eine neue Platte? Nach dem etwas
sperrigen Werk „DOM“ (2012) weiß ich gar nicht, ob ich
das überhaupt hören will. Kam mir Herr Witt damals zu
durchgeknallt rüber, auf seinem Kreuzzug der düsteren
Gerechtigkeit.
Nun gut,
das war einmal. Jetzt rotiert „Neumond“ in meinem Player.
Und das nicht zum ersten Mal. Ich bin überrascht, wie
mich Herr Witt empfängt. „Wir werden wieder aufstehen,
ein Freudenmeer vor Glück…wenn alle anderen Fortgehen,
kehren wir zurück“. Oha, welch klare Ansage. Witt sagt
Bescheid, er ist wieder da, stellt sich ins Feuerland
um lauter zu sein, als je zuvor. Es gibt Beats und
Uptempo-Tracks, die den Magenta ausgeleuchteten Floor
füllen werden.
So tanzbar
wie bei „Die Erde brennt“ habe ich Herrn Witt noch nie
gehört. Und singen kann er auch. Wo ist sein
Sprechgesang geblieben? Was passiert hier? Dass Herr
Witt diese Platte nicht alleine aus der Taufe gehoben
hat, ist mehr als hörbar. Die Handschrift von Martin
Engler (Mono Inc.) ist ganz klar herauszuhören.
Stellenweise vielleicht ein bisschen viel düstere
Schwermütigkeit, die Engler in süße Melodien gehüllt
hat. Aber die Frischzellenkur tut Herrn Witt sehr gut.
Auch wenn
er nicht aus seiner Haut kann, wird er doch sehr
persönlich. Schon bei den ersten Hörproben lässt es ein
jedem das Blut gefrieren, der schon einmal in seinem
Umfeld die Erfahrung mit Trauer gemacht hat.
Die
Vorabsingle „Mein Herz“ sprudelt so vor schönen
Melodien, dass das Mainstreamradio sich die Finger
lecken muss. Ich bin sowas von gerührt.
Was mir
auffällt ist, dass Herr Witt und Martin Engler „Neumond“
völlig vom bisherigen Schaffen Witt’s losgelöst haben.
Herr Witt hat wohl noch nie so viel wirklich gesungen,
wie auf dieser neuen Platte, während Engler die
Keyboards hat heiß laufen lassen. „Es regnet in mir“ ist
ebenso ein Beispiel wie auch das extrem tanzbare „Ohne
Dich“. Natürlich klingen die weiblichen
Backgroundstimmen bei „Ohne Dich“ etwas zu abgedroschen,
aber das passt schon.
Erstmals
seit langen Jahren kommt „Neumond“ ohne zeitraubende
Fülltracks aus. Die Platte läuft in einem durch, und die
Reinkarnation von Joachim Witt geht ihren Weg
ungebrochen weiter. Fasziniert bin ich auch von
„Neumond“, dem Titeltrack der Platte. „Wer ist der Klotz
mit Muttermal?“ fragt Herr Witt in die Runde, um sich
selbst die Frage gleich zu beantworten. Der einzige
Track auf der Platte, wo man doch einmal Luft holen
kann.
Was hat
Herr Witt denn jetzt geschafft? Er bleibt trotz allen
bei seinen Leisten. Wirkt nicht verschoben und
gekünstelt. „Neumond“ bringt Herrn Witt auf das nächste
Level seines Schaffens. Und auch wenn „Neumond“ äußerst
positiv und laut klingt, es bleibt eine Witt-Platte. Der
Großvater des Grafen ist wieder da und zeigt, wo der
Hammer den Amboss schlägt.
17.12.2013: MUSE - Live at Rome Olympic Stadium (CD/BlueRay/DVD)
Ok,
die Welt braucht Helden. So viel dazu. Auch die
Musikwelt braucht Helden. Und die nächsten großen Helden
der Musikwelt sind definitiv MUSE. Ihre Platten werden
von Mal zu Mal immer fetter und gewaltiger und so auch
ihre Touren. Seit mehr als einem Jahr sind MUSE schon
mit ihrem aktuellen Album „The 2nd.Law“ auf Tour und
haben es sogar geschafft, gleich dreimal die Bühne zu
verändern. Immer größer, so dass sogar U2 langsam vor
Neid erblassen müssen, was Technik on Stage angeht.
Jetzt legen MUSE erstes Zeugnis dieser überaus
erfolgreichen Tour ab. Mit der neuen BlueRay/DVD „Live
At The Rome Olympic Stadium“ beweisen sie, dass die
Zeiten kleiner Konzerte bei MUSE definitiv vorbei sind.
Was hier aufgefahren wird, kann nur in Stadien
funktionieren. Und dabei wird nicht gekleckert, sondern
geklotzt. Der Konzertfilm ist in hochauflösender
4K-Technologie (Ultra-HD) gefilmt. Gestochen scharfe
Bilder, die eine Atmosphäre einfangen, die einem die
Gänsehaut hoch treibt.
Auch
wenn Matthew Bellamy, Dominic Howard und Christopher
Wolstenholme professionell agieren, an dem denkwürdigen
Abend in Rom müssen die drei einen besonders guten Abend
gehabt haben. Und das Publikum feiert sie so, wie ich es
gerne auch bei den deutschen Konzerten erlebt hätte. Das
scheint das südländische Temperament zu sein, das die
Stimmung noch zusätzlich anfeuert.
An
Material hat die BlueRay/DVD auch einiges zu bieten. So
beinhaltet der Konzertfilm 23 Tracks plus drei
Bonustracks, aufgenommen in den USA, und ein Roadmovie.
Dabei hat alleine die Aufnahme in Rom schon so einiges
zu bieten. Hit an Hit gekoppelt mit einigen Gimmicks,
wie dem sterbenden Broker oder dem Luftakrobaten bei „Guiding
Light“. Oder den visuellen Effekten wie den farbigen
Geldnoten bei „Animals“ oder dem farbigen Glühfaden in
der überdimensionalen Glühbirne bei „Guiding Light“.
Immer wieder wird man überrascht. Ein besonderer
Höhepunkt ist dann doch „Undisclosed Desires“. Matthew
Bellamy läuft zur Höchstform auf bei seiner Ehrenrunde
im Bühnengraben rund um den weit ausladenden Catwalk. Er
spielt mit dem Publikum und der Kamera und singt dabei
noch so was von auf den Punkt, dass man sich schon
fragen muss, wie er das hinbekommt. Der Mann ist ein
Meister seiner Kunst.
Richtig zur Geltung kommt die gesamte Show natürlich auf
den größtmöglichen Bildschirmen. So ist es auch kein
Wunder, dass MUSE den Konzertfilm pünktlich zur
Veröffentlichung in ausgesuchten Kinos Europas
uraufgeführt haben. Bei der Kinopreview tauchte man
förmlich ein in die Masse und war von Bild und Ton her
Teil des Ganzen.
Für
mich sind MUSE jetzt schon das größte, was passieren
kann. Jedem, der anderer Meinung ist, ist die BlueRay/DVD
wärmstens ans Herz zu legen. Ein Livedokument, das
derzeit nicht übertroffen werden kann.
17.12.2013: The Boss Hoss - Flames Of Love-Live over Berlin (BlueRay/DVD)
Die
Gabentische sollen ja bekanntlich bunter werden, und so
drängeln sich gerade zum Fest genügend Bild- und
Tonträger auf den Markt, dass es schwer wird, die
richtige raus zu picken. Jetzt rotiert den ganzen
Nachmittag bereits die neue Live-DVD „THE BOSSHOSS –
Flames Of Fame – Live Over Berlin“ in meinem Player und
ich muss sagen, ich bin überrascht. Positiv überrascht.
Halte ich doch irgendwie gar nichts von sog. Künstlern,
die sich mit Hilfe irgendwelcher drittklassiger
Castingshows ins Rampenlicht schleimen. Aber diesmal
muss ich meine Meinung wohl mal revidieren.
THE
BOSSHOSS kannte ich früher noch aus der Zeit, wo sie
gekonnt Popklassiker in ihrem eigenen Westernstyle
interpretiert haben. Nach und nach wurden eigene
Kompositionen in das Repertoire aufgenommen und Cover
wurden immer seltener. Ob das so von Anfang an geplant
war, ist mir in diesem Falle mal Wurscht. Der gemeine
Konsument will ja schließlich auch mal veräppelt werden.
Aber
warum muss ich mich jetzt mit diesem Silberling
beschäftigen? Weil ich es nicht anders verdient habe.
THE BOSSHOSS bieten eine packende Show, aufgenommen in
Ihrer „eigentlichen“ Heimatstadt Berlin. Volles Haus und
während ich so auf den Bildschirm verträumt blicke,
kommt es mir vor, als wenn ich das eine oder andere
Gesicht in der Menge erkenne.
Die
Bühne ist mit bis zu zehn hochmotivierten Musikern mehr
als gut besetzt. Und es sieht nicht so aus, als wenn
jemand von denen da nur wegen der Kohle steht. Alle
haben Bock auf Western-Blues-Rock und ganz besonders
Hoss-Power und Boss-Burns. Die beiden Hauptfiguren des
Abends. Wobei, wer hat eigentlich die Hauptrolle?
Eigentlich keiner. Alles geht in einander über. THE
BOSSHOSS, Band und Publikum. Und alle haben ihren Spaß.
Sie rocken sich die Seele aus dem Leib und man fängt
automatisch an, nicht nur mit dem Fuß zu wippen. Zwei
oder drei Bier dazu und die kleine BOSSHOSS-Party kann
zwanzig Tracks lang steigen.
Natürlich ist die BlueRay/DVD nicht nur für die Party
geeignet. Die 5.1-Abmischung macht auch das Ganze zu
einem „ohralen“ Genuss. Man ist direkt mit in der Arena
und hat durch die wirklich geile Bildqualität und den
guten Schnitt eine DVD mit Wiedererkennungswert im
Player.
17.12.2013: PET - Imitation Of Life
Ab
und zu muss es einfach mal rocken und vom ersten Moment
an funzen. So und nicht anders sollte man es beurteilen.
Auch wenn PET in den vergangenen Jahren nicht unbedingt
zu meinen Lieblingen gehört haben, lasse ich mich erneut
auf das Abenteuer ein und lausche dem neuen Album
„Imitation Of Life“ nicht ohne skeptischem
Hintergedanken. Zwar können PET auf gewaltigen Ruhm in
einer angemessenen Form zurück blicken, aber das ist
kein Garant, um eine gute Platte zu machen. So hat es
„Imitation Of Life“ auch nicht geschafft, mich bei den
ersten Durchläufen zu überzeugen. Obwohl sie sich
redlich mühen, ihre Musik einer breiten Masse
beizubringen. Ihre Mischung aus Electro, Pop und auch
Punkeinflüssen muss man schon mögen, sonst kann es
schnell auf die Nerven gehen.
„Imitation Of Life“ hat es aber zumindest geschafft,
nicht gleich nach dem ersten Durchlauf im Haufen neuer
Alben zu verschwinden. Der Autoradiotest hat bewiesen,
dass das Album funktioniert. Denn da muss es passen. Und
besonders „Talk to you“ hat bei mir gleich beim ersten
Mal funktioniert. Die trashige Mischung macht es. Ich
bekomme Lust, diese Band tatsächlich auch mal live
anzuschauen. Wenn sie es schaffen, den Groove von „Talk
to you“ auch von „Thinking of you“ auf die Bühne zu
bringen, bin ich dabei.
Was
mir aber ganz besonders auffällt ist die Tatsache, dass
„Imitation Of Life“ nicht deutsch klingt. Ich suche
immer vergeblich nach deutschen Platten, die eben nicht
nach deutsch klingen. Irgendwas ist ja immer. Aber ich
glaube, PET haben es mit dieser Platte geschafft, sich
vom üblichen deutschen Markt abzusetzen und auf ihre Art
eine internationale Platte zu machen. „Imitation Of
Life“ klingt nach London oder Paris oder ein wenig nach
Manchester. Das schaffen nicht viele, ohne sich
übermäßig erwähnten Szenen anzubiedern. Okay, mal
Phillip Boa in seinen besten Zeiten ausgenommen. Und
nach dem klingt „Imitation Of Life“ und „Never been here
before“ im besonderen, verdammt nochmal. Nur besser!
04.11.2013: Erasure - Snow Globe
Also,
das schlägt dem Fass ja nun den Boden aus. Ich trauere
immer noch dem viel zu kurzen Sommer nach, wundere mich
über das erste Weihnachtsgebäck im Supermarkt und
verschwende nicht einen Gedanken daran, mir eine
Weihnachts-CD einzulegen. Da kommen Andy Bell und Vince
Clarke so ganz nebenbei vorbei und schütteln ein neues
Album aus dem Ärmel. Und nicht einfach ein neues Album,
sondern eine Weihnachtsplatte. „Snow Globe“ heißt das
Ganze und soll mich ähnlich wie die ersten Lebkuchen im
Supermarkt auf das Fest der Liebe einstimmen? Ich weiß
nicht recht.
Aber
„Snow Globe“ kommt nicht einfach mit klassischen
Weihnachtsliedern daher. Okay, mal von „Silent Night“
oder „White Christmas“ abgesehen. Vielmehr haben sich
Vince und Andy damit beschäftigt, eine Platte für
Weihnachten zu kreieren, die sich ein wenig von den
anderen Platten abhebt, welche zu tausenden jährlich in
die Läden spülen.
Der
Einstig mit „Bells of love“ fällt mir so gesehen auch
recht leicht. Der Track hätte ebenso auf dem letzten
Erasure-Longplayer untergebracht sein können. Ein
typisches Erasure-Stück, welches für mich sogar extrem
Airplaytauglich ausgefallen ist. Mit „Gaudete“, welches
vermutlich aus dem 16.Jahrhundert stammt, treffen
Kraftwerk auf die Kirche. Anders kann ich es kaum
beschreiben. Vince Clarke lässt harte Beats zu
lateinischen Versen durch die Boxen knallen. Mal
ehrlich, solche Töne hab ich lange nicht mehr bei
Erasure gehört. Die richtige Weihnachtsstimmung kommt
aber noch nicht so auf. Eher eine positive Stimmung. So
wie immer, wenn ich eine Erasure-Platte auflege. Aber
wann kommt den nun der Mann mit dem Rauschebart durch
den Kamin?
„Make
it wonderful“ reiht sich ein in die Rückkehr zur alten
Stärke. Wofür ich dieses Duo schon immer ins Herz
geschlossen habe. Doch dann ist es soweit! Es treibt mir
fast eine Träne ins trockene Auge, wenn Andy Bell „Silent
Night“ anstimmt. Laut Andy Bells Aussage hat er seinen
inneren Chorjungen wieder gefunden. Und hier steht er.
Und mir wird es ganz besinnlich. Dieser Klassiker ist
schon oft verheizt worden und anfangs hatte ich
befürchtet, Vince Clarke würde hier das elektronische
Hackebeil ansetzen. Aber weit gefehlt. Es ist wirklich
schön geworden und wird einen gebührenden Platz in
meiner persönlichen Christmas-Playlist erhalten.
Kaum
schweife ich in Gedanken wecken mich Erasure aber gleich
mit „Loving Man“ wieder auf. Tanzen darf man auch unterm
Mistelzweig. Wenn Super Mario auf Santa Claus trifft,
kann es sich nur anhören wie bei „The Christmas Song“.
Meine Oma wird es hassen, ich finde es recht
unterhaltsam.
Es
läuft mir teilweise kalt den Rücken runter, wenn ich
„White Christmas“ höre. Aber ähnlich wie bei „Silent
Night“ hat Clarke es bewusst vermieden, dick
aufzufahren. Wobei „White Christmas“ sich gekonnt von
einem interpretierten Klassiker zu einem reinen
Erasure-Track wandelt.
Bevor wir dann alle mit „Silver Bells“ zur Bescherung
gerufen werden, möchte ich noch erwähnen, dass ich mit „Snow
Globe“ Erasure den Ausrutscher mit ihrem letzten Album „Tomorrows
World“ (2011) endgültig verzeihen kann. Man fühlt sich
zurück in die Zeiten von „Other People Songs“ gesetzt.
Und das macht Spaß. Auch wenn ich Weihnachtsplatten so
ja nicht so mag, „Snow Globe“ wird in der
Vorweihnachtszeit auf jeden Fall sich öfters im Player
drehen.
27.10.2013: Solar Fake - Reasons To Kill
Sven
Friedrich (Zeraphine / Dreadful Shadows) hat mich mit
seinem Side-Projekt SOLAR FAKE schon immer begeistert.
Bereits das erste Album „Broken Grid“ (2008) hatte mich
durch frische Electronicsounds und starke Kompositionen
eingenommen. Nachdem etwas anspruchsvolleren zweiten
Album „Frontiers“ (2011) kommt nun mit „Reasons To Kill“
der dritte, und ich muss es leider zugeben, stärkste
Longplayer von SOLAR FAKE.
Bereits der Opener „I hate you more than my life“ zeigt
an, wohin die Reise gehen soll. Härtere Sounds und auf
den dunklen Dancefloor ausgerichtete Sounds. Der Opener
treibt in der richtigen Lautstärke bereits ganz schon
an. Und so geht es dann auch gleich mit „Face me“
weiter. Grandios!
Mein
persönliches Highlight auf dem Album ist dann aber doch
kein Floorfiller. Das eher ruhige traurige „Rise and
fall“ begeistert mich vom ersten Durchlauf an und das
Maintheme geht mir nicht aus dem Kopf. Anspieltipp! Ein
Beweis mehr, dass SOLAR FAKE nicht nur laut sein können,
sondern auch einen passenden Herbstsoundtrack liefern.
Die
Platte ist vollgepackt mit 11 Hits, die
unterschiedlicher nicht sein können. Und da kann man
sich jetzt bereits auf die anstehenden Livetermine quer
durch die Republik im Februar/März 2014 freuen.
Anspieltipp: „I hate you more than my
life“, “Change the view”, “Rise and fall”, “The Pages”
19.10.2013: VNV Nation - Transnational
Mp3 Download:
Es
streiten sich die Geister, was man von der neuen Platte
von VNV Nation halten soll. Die einen schäumen über vor
Freude, die anderen haben eher Schaum vorm Mund bei dem,
was Ronan Harris da zusammen gebraten hat. Zu flach soll
die Platte sein und zu sehr nach einem Aufguss der
„Automatic“ (2011) klingen. Aber wer erwartet denn allen
Ernstes, dass Harris das Rad heute, nach zehn
VNV-Studioalben noch neu erfinden kann. Ähnlich wie
einige seiner Kollegen (Naghavi, Covenant etc.) hat
Harris seine Nische gefunden. Die Keyboards sind optimal
programmiert. Warum also noch was ändern. Man bedient
die breite Masse und steigert so die Verkaufszahlen.
Denn auch ein Ronan Harris macht Musik nicht nur aus
Idealismus, sondern weil er damit seinen Lebensunterhalt
verdient. Und wenn sich eine Platte gut verkauft, ist
das schon mal die halbe Miete. Da kann man seine dunkle
Seele ruhig schon mal ans Licht verkaufen, oder
zumindest ausleihen.
Aber
„Transnational“ ist gar nicht so übel, wie viele sagen.
Eingängige Melodien und hier und da blitzt doch das alte
EBM-Herz auf. Das Album startet aus meiner Sicht, recht
mutig mit dem über vier Minuten langen Intro „Generator“
welches dann in „Everything“ übergeht. Eigentlich hätte
man sich die Trennung auch sparen können. Aber
wahrscheinlich hatte Ronan Harris einfach nur Angst, dem
geneigten Hörer einen Albumopener von über neun Minuten
zu zumuten. Anyway, das Album hat einen perfekten
Einstieg und macht schon in den ersten Minuten Spaß. Bei
„Primary“ fühle ich mich stellenweise an alte
Divine-Zeiten erinnert. Jeden Moment warte ich darauf,
dass die Eighties-Tonne anfängt zu grölen. In der
richtigen Lautstärke ist es genau das, was ich hören
will.
Mit „Retaliate“
fühle ich mich eher an alte „Futureperfect“-Zeiten
erinnert. Da tobt der Bär auf dem schwarzen Dancefloor
und alle alten Kämpfer bringen sich in EBM-Position um
um die Wette zu stampfen. Doch halt, höre ich da ein
Plagiat? Ich muss da doch gewaltig überlegen und siehe
da, der gute Harris hat zum Zeitpunkt zu viel „Chrome“
gehört. Ist mir beim ersten hören schon aufgefallen,
musste aber doch lange nachdenken, woher ich die
Gesangsmelodie her kannte.
Natürlich
hätte Ronan Harris seinen Maschinen noch ein paar neue
Klänge entlocken können. Das lehnt das Album wirklich
stark an seinem Vorgänger an. Aber trotzdem macht die
Platte Spaß! Ronan Harris hat es wiedermal geschafft,
nette Melodien zu kreieren und sie schick zu verpacken.
Nicht umsonst ist das Album so gut gestartet und die
gerade laufende Tour nahezu komplett ausverkauft. Wie
ich eingangs schon sagte, wird das Rad mit
„Transnational“ nicht neu erfunden. Aber es bekommt
immer mehr Tempo und wird sich auch weiter drehen.
19.10.2013: Covenant - Leaving Babylon
Mp3 Download
Das
hat aber gedauert. Ganze sechs Jahre musste ich warten,
bis ich endlich mal wieder mit Freude eine neue CD von
Covenant in den Player schieben mag. Nach der „Skyshaper“(2006),
welche sich mir auch erst sehr spät geöffnet hatte,
konnten mich Covenant mit dem letzten Album „Modern
Ruin“ (2011) überhaupt nicht mehr überzeugen.
Einfallslos, Emotionslos und Lustlos war das Album und
trug nicht ohne Grund den Namen.
Doch jetzt
ist alles wieder gut. Covenant sind wieder da und haben
mich mit „Leaving Babylon“ gleich beim ersten Durchlauf
überzeugt. Endlich treiben sie wieder an und Eskil
Simonsson scheint wieder Bock drauf zu haben. Selten
klangen Covenant so mystisch geheimnisvoll, wie auf der
neuen Platte. Die personellen Veränderungen der letzten
Jahre haben ihr übriges getan.
Covenant
gehen nach Tracks wie das Titelgebende „Leaving Babylon“
oder auch „Prime Movers“ lehnen sich zwar an der
Vergangenheit an, ohne altbacken zu klingen.
Stellenweise kokettieren Covenant mit modernen Dance-
und Triphop-Einflüssen ohne ihre Wurzeln zu verlieren.
Weg
gehauen werde ich von Tracks wie „Thy Kingdome Come“
oder „Ignorance and Bliss“. Diese Tracks haben mich in
ihrer Eingängigkeit überzeugt. „Last Dance“ öffnet sich
zu einem Klangteppich, der mich dahin schmelzen lässt.
So muss eine gute Platte von Covenant klingen. Danke!
Mit „Walk
Slow“ eröffnet sich mir ein neues künstlerisches Bild
bei Covenant. Eine Gitarre habe ich bisher nicht so
häufig gehört. Dafür knarzt sie jetzt durch den
Verstärker, dass es einem Angst und Bange wird.
Mit „Leaving
Babylon“ haben Covenant mich wieder eingefangen.
Stellenweise an gute alte Zeiten erinnert und viele neue
Eindrücke gewonnen ist es schade, dass sie bereits durch
deutsche Hallen gereist sind.
10.09.2013: Clarence +
Napoleon - Breaking the silence
Es
ist schon schwer, gerade als Duo heutzutage noch
Eindruck zu erwecken. Gerade, wenn man im Bereich der
elektronischen Tanzmusik Fuß fassen will. Trotz dessen
oder gerade deshalb starten Clarence+Napoleon jetzt mit
„Breaking the silence“ durch. Ein Ansammlung von zwölf
Trakcs, die im laufe der letzten zwei Jahren entstanden
sind.
Das
tragische „Breaking the silence“ als Opener lenkt die
Stimmung erst mal in eine andere Richtung, die das Album
in seinem Laufe nimmt. Selten bringt mich so tragisch
ruhiges Stück dazu, die Anlage nochmals lauter zu
drehen. Respekt für den Start. Aber wer glaubt, dass C+N
jetzt nur auf düster machen irrt gewaltig. Sie machen
zwar keinen Funpop, treiben aber mit Stücken wie „Angels“
auch zum tanzen an.
Ein Stück
wie das äußerst geniale „Mother“ von DANZIG zu seinem
eigen zu machen, ist schon eine Herausforderung. C+N
haben sich nah an das Original gehalten ohne
abzukupfern. Sorry , aber in diesem Falle finde ich mit
Öfteren Hören tatsächlich das C+N-Cover um einiges
besser, als die DANZIG-Version.
„Breaking
the silence“ ist ein sehr anspruchsvolles Album, das
nicht einfach so dahin plätschert, sondern das zum
zuhören einlädt.
Anspieltipp: Breaking the silence, 5
Seconds, Body & Melodies, Do that thing
10.09.2013: Glasvegas
-
Later...When the TV Turns to
Static
Glasvegas
aus Glasgow/Schottland melden sich endlich mit ihrem
dritten Longplayer “Later...When the TV Turns to Static
” zurück.
Ganze zwei Jahre hat es gebraucht, diese Platte fertig
zu stellen. Und es hat sich gelohnt. „Later...When the
TV Turns to Static“ ist eine gefühlsgeladene Platte, die
sich nicht immer nur mit Liebeleien beschäftigt, sondern
auch mit ihren Schattenseiten. Das Geräusch, wenn es
kein Programm mehr im TV gibt, kennen wir dank
Non-Stop-Berieselung hierzulande ja nicht mehr. Es
scheint aber in Schottland noch zum Nachtleben
alleingelassener dazu zu gehören. Und die Stimmung, die
entsteht wenn das Programm endet und nur noch Schnee im
Fernseher zu sehen ist, beschreibt am besten die Platte.
„Later...When
the TV Turns to Static“ pendelt zwischen frustrierender
Kühle, die sich immer wieder mit wärmenden Melodien
umgibt. Egal ob es um den Namengebenden Albumopener oder
auch um Stücke wie „Youngblood“ oder das
Gänsehautbringende „I’d rather be dead“ geht. Glasvegas
fesseln mich vom ersten Track an. Der Herbst kann
beruhigt Einzug halten. Glasvegas liefern den passenden
Soundtrack zur Depression.
Die
Vorabsingle erinnert mich an glorreiche Editors-Zeiten,
was wahrlich keine schlechter Verweis ist. Es wird der
Bogen von eingängen Tracks zu anspruchsvoller Musik im
Handstreich genommen. Nicht umsonst wurden Glasvegas in
der Vergangenheit bereits hochgelobt und in ihrer Heimat
mit Platin für das erste Album belohnt.
Die erste
Platte ist immer die, an dem alles gemessen wird. Die
zweite Platte ist die, die meist missverstanden wird.
Mit der dritten Platte fängt man an, sich endlich frei
zu schwimmen. Und Glasvegas schwimmen mit „Later...When
the TV Turns to Static“ in sicherem Fahrwasser.
„Ich
weiß nicht genau, ist es nur ein Traum?“ Dass es auch
heute noch gute Bands im Bereich des intelligenten
Deutschpop gibt? All die neuen Bands, die uns täglich um
die Ohren gejagt werden. Ständig werden Künstler aus den
Fußgängerzonen in die Studios gezerrt, damit die
nächsten Stars schnelllebig durchgereicht werden. Die
Maschine muss ja Futter haben.
Schnell
durchgereicht werden hoffentlich nicht EMMA6 aus Köln,
beziehungsweise jetzt Hamburg. Mit „Passen“ legen sie
bereits ihr zweites Album vor. Und das kann sich hören
lassen. EMMA6 sind nicht laut und nicht leise. Stücke
wie „Passen“ laden zum zuhören ein. Einfach mal zurück
lehnen und den Worten lauschen. Während sie auf
„Soundtrack für dieses Jahr“ (2011) noch ansatzweise in
eine Schublade drängten, schaffen sie mit „Passen“ ihre
eigene und fühlen sich vom ersten Ton der Platte sauwohl
darin.
Die erste
Single „Wie es nie war“ und das grandiose Video zur
Single haben bei mir vom ersten Klang her die Vorfreude
auf das Album entfacht. EMMA6 sind aber nicht nur
Leisetreter vor dem Herrn. „Ich hab die Band zuerst
gekannt“ klingt zwar für mich wie eine Anlehnung an die
Jungs von Kraftklub, ohne zu kopieren. „Drehen uns im
Kreis“ ist ein fulminanter Abschluss für die Platte, der
mich anfangs in die falsche Richtung schickt, um dann
wieder versöhnlich in die richtige Bahn zu lenken.
„Passen“
ist als zweites Album ein Geniestreich. Eine Platte, die
nicht den Vergleich mit anderen Bands scheuen muss. Die
Platte schafft Standards, an denen sich andere messen
lassen sollten. EMMA6 sind definitiv keine Massenware,
die im Kommerzdschungel der deutschen Radiolandschaft
verheizt werden sollten. Da soll noch mehr gehen. Da
geht noch mehr.
14.07.2013: New Order - Bestival
Bestival
ist ein vier tägiges Musikfestival, welches jedes Jahr
auf der Südenglischen Isle of Wight stattfindet. Jedes
Jahr schaffen es die Organisatoren, kleine und große
Bands zusammen zu trommeln, die dort für wenig Geld
aufspielen. Ein Großteil der Erlöse von Bestival fliesst
dem Umweltschutz zu.
Nachdem
2011 The Cure bei Bestival spielten und das Set
mitschneiden liessen, haben sie im Folgejahr unter dem
simplen Namen „Bestival“ eines ihrer besten Livealben
veröffentlicht und den kompletten Erlös gespendet. Nun
haben keine geringeren als New Order sich in den Kreis
der Bands bei Bestival eingereiht und haben ebenso wie
The Cure ihre Liveaufnahe veröffentlicht.
BESTIVAL
ist nach sehr langer Zeit endlich mal wieder ein
richtiges Lebenszeichen der Manchester-Band und die
erste offizielle Liveaufnahme ohne Peter Hook. Wobei ich
bemerken muss, dass für mich der Weggang von Hook nicht
sonderlich hörbar ist. Vielmehr ist das Album nahezu
ungefiltert ein Einblick in die Livequalitäten New
Orders. Auch nach mehr als fünfunddreißig Jahren auf der
Bühne klingen New Order immer noch unvergleichbar.
BESTIVAL
bietet einen Querschnitt durch ihre gesamte Karriere.
Von den Anfängen als JOY DIVISION (Isolation,
Transmission) bis zu ihren letzten Veröffentichungen.
Von daher ist BESTIVAL für mich eine bessere Alternative
zur jüngst erschienen „Total“-Compilation. Einziger
Wehmutstropfen ist, dass New Order darauf verzichtet
haben, dass komplette Set zu veröffentlichen. Zum
originalen Set fehlen drei Stücke, die aber nicht
sonderlich ins Gewicht fallen, wenn man nicht selber die
Setlist auf der Tour erleben durfte.
New Order
können es noch und werden auch ohne Peter Hook noch
weiter mit mischen. BESTIVAL zeigt auf jeden Fall, dass
es sich lohnen würde, sich auf jeden Fall New Order
live anzuschauen.
02.07.2013: Austra - Olympia
Was
soll ich sagen? Ich bin nahezu sprachlos, wenn ich mir
„Olympia“, das neue Album der kanadischen Formation
Austra anhöre. Das erste, hochgelobte Album „Feel it
break“ ist aus heutiger Sicht leider gänzlich an mir
vorbei gegangen. Was mich hier erwartet, sind
Electrosounds, die ich eigentlich nicht aus dem Land der
Holzfäller erwartet habe.
„Olympia“
besticht durch einerseits durch eine gewisse Kühle,
andererseits kann man dieser Platte stundenlang zu
hören. Die Stimme von Frontfrau Katie Stelmanis erinnert
mich stellenweise an Susann Sundfor, was wahrlich keine
schlechte Referenz ist. Ich mag Stimmen, die abseits der
Norm liegen. Und Stelmais‘ Stimme paart sich
ausgezeichnet mit der Music Austra’s.
Mal
bekommt eine Gänsehaut, weil die Tracks düster und
Geheimnisvoll wirken (What we done?), mal möchte man
einfach nur abtanzen (Painful like). Angehaucht durch
Old-School Discoelemente treibt die Platte nach vorne
und macht Hunger auf mehr. Dabei ist „Olympia“ keine
reine Electroplatte. Stücke wie „Sleep“ oder „Home“
überzeugen auch durch den Einsatz natürlicher Klänge wie
Gitarre, Klavier oder auch Congas.
„Olympia“
überrascht mich vom ersten bis zum letzten Ton. Die
bereits erwähnte stimmliche Ähnlichkeit mit Susann
Sudfor und die musikalische Ähnlichkeit mit einigen
Björk-Stücken macht eine interessante Platte im
Einheitsbrei der heutigen Musiklandschaft aus. Gerne
mehr davon und das schnellstmöglich.
30.03.2013:
Orchestral Manoeuvres In The Dark – English Electric
Mp3 Download:
Ups, da
sind sie schon wieder. Dafür, dass OMD mal getrennte
Wege gegangen sind und auf ihre alten Tage es ein wenig
ruhiger angehen lassen wollten, haben sie sich aber ins
Zeug gelegt. Bereits während ihrer „History Of
Modern“-Tour (2010) hatten sie den Titel für das nächste
OMD-Album angekündigt und somit die Erwartungshaltung,
dass zeitnah ein neues Album folgen könnte, sehr hoch
geschraubt. Aber kann das gut gehen, wenn man sich
selbst schon vorzeitig mit Vorschusslorbeeren
überschüttet? Zu oft ist sowas schon nach hinten
losgegangen. Warum soll es denn jetzt klappen.
Doch siehe
da, OMD halten Wort. Knappe zwei Jahre wurde an dem
Album gearbeitet, und man hat sich von vielen
Gründervätern der elektronischen Musik beeinflussen
lassen, ohne seine eigenen Wurzeln zu verleugnen.
„Englisch Electric“ hat alles, was ein OMD-Album haben
sollte. Eingängige Popnummern, fürs Radio geschrieben
und viel Freiraum für Experimente, die meist nur
eingefleischte Fans kennen. Da, wo „History Of Modern“
zeitweilig zu experimentell wirkte, beinhaltet „English
Electric“ klassische OMD-Züge. Ich steige in das Album
voller Verzücken ein, kommt es mir doch so vor, als wenn
ich Stücke wie „Night Cafe“ oder „Stay with me“ schon
seit mindestens zwanzig Jahren kenne, sie aber trotzdem
jetzt das erste Mal höre. Die Platte wirkt neu und alt
zugleich. Nichts wird dem Zufall überlassen, und OMD
gehen in jedem Falle auf Nummer sicher, ohne ängstlich
zu wirken.
Aber muss
eine Platte mit einem fast achtminütigen Track beginnen?
Das merkwürdige an „Metroland“ ist für mich, dass es gar
nicht auffällt, das der Track so lang ist. Dabei
verbinden OMD gekonnt klassische Popmelodien mit
Klangwelten, die man eigentlich eher von Kraftwerk
kannte, als die noch als Innovativ galten. Die
ausgekoppelte Singleversion klingt da schon fast
unfertig und lässt keinen Platz, in das Stück
einzusteigen.
„Stay with
me“ ist das OMD-Stück, das wir alle kennen. Paul
Humphreys hört sich mit seinen dreiundfünfzig Jahren
immer noch wie der kleine schüchterne Teenager an, der
schon in den Achtzigern die Haare schön hatte, aber
trotzdem immer in der Ecke stand und den Mund nicht
aufbekam. Auch wenn ich persönlich für diese Balladen
nicht immer zu haben bin, mag ich den Track. Da schwingt
was von „Souvenir“ mit, was schon mal keine schlechte
Referenz ist.
Als
potenzielle Hitsingle sticht auf jeden Fall „Dresden“
aus dem Album hervor. Ein bisschen „Pandoras Box“, ein
bisschen „Sister Mary Says“, fertig ist der Radiohit.
OMD können es halt.
OMD haben
es geschafft, sich gekonnt in die Liga der Altmeister
zurück zu spielen. Auch wenn musikalisch „English
Electric“ ein wenig eingeschränkt ist, gleichen OMD
dieses gekonnt durch ihre typischen eingängigen Melodien
wieder aus. Sie sind keine Depeche Mode. Müssen sie auch
nicht. Aber sie sind vielfältiger als so viele andere
Bands ihrer Zeit, die sich heute nochmal aufmachen, neue
Platten zu veröffentlichen. „English Electric“ – Das
sind OMD!
Es gibt ab
und zu Platten, die hört man und die fesseln einen von
den ersten Klängen. Da kann es auch egal sein, ob man
jetzt eher auf Electropop, Metall oder Rap steht. Es
kann immer mal wieder vorkommen, dass sich da eine
Platte einschmuggelt, von der man überwältigt ist.
So
ergangen ist es mir bei Rover, eigentlich Timothèe
Règnier mit seinem Debüt „Rover“. Einflüsse von den
Beach Boys bis Bowie und ein wenig Supertramp schwingen
in den einzelnen Stücken mit, ohne nachgespielt zu
wirken. Eine gewisse Schrägheit lässt seine französische
Herkunft erahnen. Seine persönlichen Erfahrungen als
Frontman einer Punkband lassen sich in einigen
Kompositionen heraus hören.
„Rover“
bindet sich in den Reigen vieler neuer Platten
französischer Künstler und Bands ein, die sich wieder
mehr dem internationalen Markt öffnen. Stücke wie „Tonight“
oder das bluesige „Lonely Man“ zeigen auf, dass Rover
eine musikalische Bandbreite abdeckt, die man beim
Einstieg in das Album noch nicht erahnen konnte. Aber
auch stimmlich begibt sich Rover auf eine lange Reise.
Seine markante Stimme deckt mehrere Oktaven ab und fügt
sich seine Kompositionen gekonnt ein.
Das Album
ist nicht laut und aufdringlich, es überzeugt durch
Understatement und Zurückhaltung, ohne schüchtern zu
wirken. Denn Schüchternheit ist genau das, was Rover
nicht nötig hat. „Rover“ markiert erst den Anfang einer
kreativen musikalischen Karriere. Und wie „Rover“ live
klingen wird, kann man im April auf einigen wenigen
Konzerten in Deutschland erfahren.
Tour:
21.04.2013: Köln, Studio 672
22.04.2013: München, Strom
23.04.2013: Berlin, Privatclub
24.04.2013: Frankfurt, St.Peter Cafe
30.03.2013: Mesh - Automation Baby
Mp3 Download:
Es gibt
immer wieder Bands, die warten ewig auf den großen Wurf.
Und es gibt Bands, die haben den großen Wurf gelandet
und ruhen sich danach darauf aus. Das kann gefährlich
sein, weil man in der Langeweile verkommt und keine
innovativen Ideen mehr hervor bringt.
Mit Mesh
tue ich mich in den letzten Jahren ehrlicherweise immer
schwer. Seit ihrem 1999er Album „The Point At Witch It
Falls Apart“ haben sie mich immer wieder positiv
überrascht. Die Mischung aus guten Popmelodien,
Rockelementen und Electro-Einflüssen sind immer schon
das gewesen, was mein Ohr gerne hören mag. Auch wenn
ihre Platten in den letzten Jahren immer länger
brauchen, um sich in meinen Kopf einzubrennen, sind sie
immer gerne aufgelegt. Okay, man muss anfangs ja auch
nicht alles gut finden. Mit dem zweiten hört es sich
halt oftmals besser.
Jetzt
legen Mesh mit „Automation Baby“ ihr mittlerweile
siebtes Studioalbum vor, welches fast keine Wünsche
offen lässt. Mark Hockings und Richard Silverthorn haben
wieder verstanden, vierzehn kleinere und größere
Popperlen hervor zu zaubern, wo ich mich immer wieder
frage, warum diese Band keinen kommerziellen Erfolg im
großen Stil hat.
Das Album
startet mit einem für mich klassischen Mesh-Opener.
„Just leave us alone“ bietet alles, womit eine Platte
starten sollte und öffnet den Horizont des
Mesh-Universums. Erstes Highlight bildet dann aber dann
doch „Taken for Granted“. Der Track klingt zwar an
einigen Stellen etwas überladen, treibt doch gewaltig
an. Ein bisschen weniger Pop, aber dafür ein wenig mehr
Wumms, fertig wäre der Hit. „I need
to start again – take me far away“ heisst es da.
Einen Neustart benötigt der Track nicht, aber ein wenig
mehr Risikobereitschaft wäre nicht schlecht. Da setze
ich dann aber auf die Liveumsetzung. Aber was ist
dagegen bei „You want what’s owed to you“ schief
gelaufen? Der Track klingt für mich zu glatt gebügelt.
Die Melodie klingt für mich wie tausend Mal gehört und
immer weiter geskipt. Und irgendwie verfliegt die
Anfangseuphorie, und es braucht für mich lange, wieder
in das Album einzusteigen. Zu glatt klingen Tracks wie
„Automation Baby“ oder „The Way I feel“. Es fehlen die
Höhepunkte in den einzelnen Tracks und so plätschert ein
großer Teil der Platte vor sich hin. Erst sechs Tracks
später steige ich bei „Born to lie“ wieder ein. Da ist
sie wieder, die typische Mesh-Platte. „Born to lie“
eignet sich zum tanzen und abfeiern. Der Track ist laut
und treibend und beinhaltet die gewisse Tragik, die Mesh
immer wieder in ihren Stücken verstecken können.
„Automation Baby“ kommt weitestgehend ohne große
Höhepunkte aus. Schade eigentlich, aber es bleibt für
mich erst mal bei Mesh nichts Prägnantes hängen. Liegt
es daran, dass sie es sich mit „Automation Baby“ zur
Aufgabe gemacht haben, ein s.g. Konzeptalbum zu
schaffen? Beschäftigen sie sich doch durchgehend mit der
sich stetig verändernden Konsumgesellschaft aus sozialen
Netzwerken und der daraus resultierenden Anonymität der
Individuen. Oder liegt es vielleicht doch an der Arbeit
von Produzent Olaf Wollschläger, der in den Jahren die
Alben von Mesh zu sehr in eine Richtung drängt.
Ich würde
Mesh den großen kommerziellen Wurf von Herzen gönnen.
Mit „Automation Baby“ haben sie auch ein gutes Album
vorgelegt. Der große Wurf wird damit aber leider nicht
gelingen.
28.03.2013: Depeche Mode - Delta Machine
Mp3 Download:
Seien
wir mal ehrlich, was erwartet man von einer Band, die
seit dreißig Jahren so ziemlich jeden Klang erfunden
hat, den ein Gegenstand oder ein elektronisches
Instrument überhaupt erzeugen kann. Eigentlich nicht
mehr viel. Die künstlerische Geschichte von Depeche Mode
scheint vor einigen Jahren bereits fertig geschrieben zu
sein. Noch ein paar Preise fürs Lebenswerk und ab dafür.
Danke war nett. So hatte ich mich auch schon mit dem
Gedanken angefreundet, dass DM nach dem mehr als
mittelmäßigen letzten Album „Sounds of the Universe“ und
den ganzen Begleiterscheinungen einfach so die Segel
streichen.
Aber welch
Überraschung, sie wollen es noch mal wissen und Martin
Gore hockt sich hin, gibt sich zu Hause den Blues und
machte mit Vince Clarke nebenbei ein abgespacestes
Technoalbum und Dave Gahan begibt sich auf eine
kreative Reise mit den Soulsavers. Wie sollen diese
Charaktere noch mal ein schlüssiges Werk erarbeiten und
in welche Richtung soll es gehen.
Der erste
Vorbote „Angel“ der bereits auf der Pressekonferenz in
Paris im Oktober 2012 der Presse und einem ausgesuchten
Millionenpublikum via Internet präsentiert werden
sollte, lies erahnen, dass Depeche Mode auf etwas neues,
großes zu steuern.
Jetzt
dreht sich bei mir „Delta Machine“ das 13 Album von
Depeche Mode auf dem Plattenteller und ich wippe vor
entzücken nicht nur mit dem Fuß. Martin Gore hat sich
beim Komponieren noch weiter von der Poplandschaft
entfernt, als er sowieso immer schon war und Dave Gahan
leidet noch mehr als auf den letzten drei Alben
zusammen. So viel Experimentierfreudigkeit habe ich
Depeche Mode nicht mehr zugetraut. Es piept, knarzt und
rauscht an allen Ecken und Kanten und Depeche Mode halten
das Versprechen ein, dass das Album sehr viel auf Blues
und Soul basiert, ohne altbacken zu klingen. Und sie
überraschen durch eigenwillige Kompositionen, die auch
in ihrer eigenen Geschichte vergeblich nach Vergleichen
suchen lässt. Die Zeiten simpler Popmelodien sind jetzt
definitiv vorbei, oder? Nicht ganz, aber sie sind weit
nach hinten gerückt. Dafür werden sie lieber wieder
dreckig, was ihnen in den letzten Tagen abhanden
gekommen war. Nicht nur „Angel“ ist ein guter Beweis
dafür. „Slow“ oder auch „Goodbye“ zeigen ganz neue
Seiten an Depeche Mode. Gore schreibt Gahan wieder Songs
auf den Leib und der lebt sie aus. Den Schritt zurück
nach vorne wagen sie dafür dann schon eher mit der
Vorabsingle „Heaven“. Von der Stimmung her musste ich
anfangs an „Condemnation“ denken und habe mich von der
Single ebenso wie zig andere Fans aufs Glatteis führen
lassen. „Heaven“ ist der Ausnahmetrack auf „Delta
Machine“. Haben Depeche Mode immer schon Vorabsingles
ausgesucht, die für ein neues Album stehen, haben sie es
diesmal komplett umgedreht.
Aber
können Depeche Mode denn auch noch den besonderen Kick
bereiten? Können sie. Wer nur einmal in Stücke wie das
wunderbare „Broken“ oder in „Alone“ rein hört, wird
wissen, was ich meine. Und wer dann auch noch „Should be
higher“ wird vor Freude durchs Zimmer hüpfen, wie
Rumpelstilzchen ums Feuer. Hier zeigt sich einmal mehr,
dass Dave Gahan in den letzten Jahren viel gelernt hat,
was das Schreiben von Songs angeht. Genau solche Stücke
habe ich in den letzten Jahren vermisst. Hierbei lässt
sich aber auch heraus hören, dass Dave Gahan zu einem
gereiften Sänger geworden ist. Was bei seiner Arbeit mit
den Soulsavers begann, hat er wunderbar weiter geführt.
Die kaputte eintönige Stimme, die wir noch auf „Exciter“
(2001) oder „Playing the angel“ (2005) ertragen mussten,
ist definitiv einer Stimme eines gereiften Mannes
gewichen, der weiß, dass seine Stimme ein weiteres
Instrument im Gesamtkunstwerk ist.
Aber gibt
es keine Hitsingles mehr? Schließlich haben Depeche Mode
es schon beim letzten Album gekonnt vermieden,
potenzielle Singles nicht zu veröffentlichen. Doch! Mit
„Soothe my soul“ haben sie einen Klassiker geschaffen.
Treibende Beats und Bassline und dazu ein Gahan, der
Gore’s Text auslebt und einmal mehr zum Sexgott der
weiblichen Fans wird. Droht er doch damit, dass er vor
Geilheit strotzend die Angebetete besuchen wird und sich
erst dann wieder verzieht, wenn er seine Gier gestillt
hat. Welche Frau im DM-Fankreis träumt nicht heimlich
davon? Und wenn Dave Gahan dann auch noch lecker
aussieht, wie mindestens seit zwanzig Jahren nicht mehr.
„Delta
Machine“ entschuldigt für alles, was Depeche Mode ihren
Fans in den letzten Jahren an Mittelmäßigkeit angetan
haben. Das Warten hat sich gelohnt. Sie erfinden weder
sich noch das Rad neu, ziehen dem Rad zumindest endlich
eine neue Decke mit greifendem Profil auf. Sex, Gier und
Weltschmerz werden mit Sicherheit immer bei Depeche Mode
im Vordergrund stehen, aber wir wachsen mit ihnen und
werden ihnen weiter folgen (müssen).
28.03.2013: Schiller - Sonne Live (BlueRay/DVD)
Wer
ein Konzert von Schiller besucht, der begibt sich auf
eine lange Reise in ferne Welten. Schon immer hat es
Christopher von Deylen geschafft, sein Publikum zu
fesseln und zu entführen. Man taucht ab aus der Realität
und lernt Dinge zu schätzen, die man vorher nicht mal
erahnen konnte.
Mit seinem
siebten Studioalbum „Sonne“ (2012) entert Schiller ein
weiteres Mal die Poleposition der Albumcharts und
schließt nahtlos an seine früheren Erfolge an.
Doch kann
eine Platte von Schiller auch live überzeugen? Sie kann.
„Sonne Live“ ist eine akustische und visuelle Umsetzung,
wo man nicht mehr alleine vor sich hin träumen muss,
sondern im großen Stile mit abertausend Gleichgesinnten
abchillen kann. Die Tracks gehen nahezu nahtlos
ineinander über und sind auf der DVD/BlueRay ein wahrer
Genuss. Glasklare Töne und eine sehr gelungene
Bildführung fesseln mich. Dazu die Traumlandschaften
Schillers, die durch eine gigantische Lightshow visuell
untermalt werden.
Ein
Liveauftritt von Schiller ist nicht mit einem
herkömmlichen Konzert zu vergleichen. Hier wird
abgeschaltet und nicht abgefeiert. Und dieses Gefühlt
überträgt sich wunderbar auf die DVD. 26 Tracks, die ich
jetzt im Einzelnen gar nicht erklären möchte, da es bei
„Sonne Live“ um ein Gesamtwerk handelt, bei dem ich
persönlich auf Anspieltipps verzichte. Was aber doch
besonders herausragt, sind die Stücke mit Gastsängerin
Kate Havnevik. Die Frau erinnert mich gewaltig an die
Stimme von Björk, nur schöner. Ebenso wie die zweite
Gastsängerin Meredith Call verbindet Kate Havnevik ihre
Stimme mit der Musik von Schiller und schafft eine
Traumlandschaft weit weg, wo alles schön ist.
Was mich
auf der DVD/BlueRay überrascht, ist der Gastauftritt von
Unheilig. Das Video von „Sonne“ in der Chill-Out
Version. Dass mich der Graf mich bis in diesen
Silberling verfolgt, hätte ich jetzt nicht erwartet.
Aber auch wenn mir Unheilig sonst übel aufstoßen, hier
passt alles zusammen.
Ich muss
„Sonne Live“ jetzt nicht an einem aufregenden
Samstagabend einwerfen, aber zu einem ruhigen
Sonntagnachmittag bildet Schiller den passenden
Soundtrack.
Da
sind sie ja wieder. Schlappe sechs Jahre nach ihrem
letzten Album „Propaganda“ melden sich Melotron endlich
zurück. Als Appetitanreger zum kommenden Album
„Werkschau“, welches bisher keinen VÖ-Termin hat, werfen
sie dem geneigten Konsumenten die EP „Stuck in the
Mirror“ zum Fraß vor. Und ich frage mich, warum es so
lange gedauert hat, so eine EP zu produzieren. Melotron
zeigen mit dem Titeltrack, dass sie es immer noch können
und trotz langer Pause das Handwerk nicht verlernt
haben.
„Stuck in the mirror“
treibt direkt auf den Dancefloor und überrascht durch
den für Melotron immer noch ungewohnten Text in
Englisch. Habe ich diese Band doch immer für seine
Gradlinigkeit in Sachen deutsch bewundert. Die ersten
zwei Durchläufe waren dann auch etwas ungewohnt.
Besonders weil Andy K. beim Refrain etwas holprig
klingt. Aber jetzt ist alles gut. Die harten Beats
gepaart mit dem sphärischen Klangteppich begeistern mich
von Anfang an. Ein Jammer, dass Melotron kommerziell
weit hinter ihrem Potenzial zurück bleiben. Der Track
hätte es auf jeden Fall verdient.
Sehr Interessant klingt
das Remake des 2002er Tracks „Folge mir ins Licht“.
Diesmal als schwergängige Ballade bekommt der Track eine
ganz neue Atmosphäre. Der Refrain, von Lauren Francis
eingesungen, irritiert mich etwas, da er im Tempo
abseits des übrigen Tracks liegt. Passt aber sehr gut
zusammen.
„Erase“ erinnert mich ein
wenig an gute alte Wolfsheim-Zeiten. Das soll nicht
abwertend klingen. Aber der Track hat seinen Platz als
Bonustrack auf einer EP verdient. Durch den englischen
Gesang von Andy klingt es wieder etwas ungewohnt.
Vielleicht braucht „Erase“ seine Zeit. Kann aber mit den
beiden vorherigen Tracks nicht so ganz mithalten.
„Angst oder Wahn“. Das
sind Melotron. Mehr kann ich nicht dazu sagen. Die
Erwartung wurde erfüllt. Es ist keine Eins, aber eine
gute Zwei. Setzen, meine Herren.
Der „AndyK Remix“ von
„Stuck in the Mirror“ haut mich jetzt nicht so vom
Hocker. Aber das ist eine rein persönliche Grundstimmung
von mir. Der Floor wird mit Sicherheit angeheizt. Ich
aber nicht. Da bin ich dann wohl vom Alter her raus.
Für mich bleibt die Frage
bisher unbeantwortet, warum Melotron so lange nicht aus
dem Knick gekommen sind. „Stuck in the Mirror“ ist
leider nur als limitierte CD erhältlich aber als
Download bei allen gängigen Dealern zu bekommen.
05.03.2013: Team Ghost - Rituals
Selten
startet eine Platte so bombastisch, dass ich schon beim
ersten Durchlauf gleich mal lauter drehen möchte. Gerade
wenn man die Band eigentlich noch gar nicht kennt, muss
es schon was gutes sein, wenn der erste Track „Away“
mich so in den Sessel drückt und mich gleichzeitig in
eine weite Athmosphäre entlässt. Was Team Ghost auf
ihrem ersten Album „Rituals“ mit dem Opener starten,
reißen sie sofort wieder ein, wenn die Pause vorbei ist
und „Curtains“ bretthart startet. Irgendwas zwischen
harten Gothklängen und schrägen Waveeinflüssen wummert
aus den Boxen. Wenn man bei „Somebodys watching“ genau
hinhört, merkt man wo Mastermind Nicolas Fromageau
früher mal tätig war. Für mich ist die Ähnlichkeit zu
M83 so klar raus zu hören, dass ich den Track auch auf
dem letzten M83-Album vermuten könnte. Vielleicht nicht
mit so harten Riffs, aber mit der Grundstimmung und den
Chorgesängen ist es schon sehr angelehnt aber nicht
abgekupfert.
Über die Vorabsingle „Dead
Film Stars“ und dem so genialen Video brauche ich wohl
an dieser Stelle keine Worte mehr verlieren. Unlängst
hatte Fromageau zugegeben, dass er und die Band sich
sehr von den Klängen Joy Divisions oder auch Cocteau
Twins beeinflussen ließen, formten sie eine Platte, die
auch so klingt. Nicht so düster und ohne animierte
Suizidgedanken, aber auch nicht verhaltend. Nachdem die
Editors den Pfad der guten Musik verlassen haben, haben
sie gleichzeitig den Weg frei gemacht für Team Ghost.
Und die füllen mit „Ritiuals“ diese Lücke mehr als aus.
Wobei Team Ghost auch nicht zu europäisch klingen. Eine
gewisse französische Schrägheit ist im Hintergrund immer
wieder zu hören und genau das ist es im gesamten, was
die Platte so hörenswert macht.
05.03.2013: Fabian von Wegen - Emotionale Zitronen
Es
ist schon ganz schön voll geworden in der deutschen
Musiklandschaft. Die ganzen Tim Bebendzkos und Andreas
Bouranis haben sich doch schon sehr breit gemacht und
man droht zu ersticken an den Klängen von Pohlmann und
Co. Da hat es jeder neue Sangeskünstler oder jede neue
Band schon schwer, noch eine Punktlandung zu machen.
Diese Punktlandung ist
jetzt aber Fabian von Wegen gelungen. Das Debüt
„Emotionale Zitrone“ klingt erfrischend und nicht so
Problembeladen, wie es bereits oben genannte Barden
vortragen. Herzerfrischend vom ersten Durchlauf an tritt
Fabian von Wegen nicht als einer von vielen an, sondern
klingt mal laut, mal leise. Textlich gut formuliert aber
nicht überladen und künstlich aufgeblasen. Es klingt wie
eine Aufforderung an alle gefrusteten wenn von Wegen
auffordert „Fang an zu Leben und lass dich selber in
dein Leben wieder rein“ („Emotionale Zitronen“). Es
klingt wie von einer der besten PR-Agenturen
ausgeklügelt, kommt aber so rüber, wie es sein soll. Man
findet in den einzelnen Tracks immer wieder
Berührungspunkte und Parallelen zum eigenen Leben. Ob
das jetzt gut oder schlecht ist, dass Fabian von Wegen
einem den Siegel vorhält, muss man für sich selber
ausmachen.
Aber ist das jetzt Musik
für die, wie es das Label verheißt, „irgendwo-in-den-Zwanzigern“-Generation
sein soll bleibt für mich ein Rätsel. Dafür klingen die
Texte von Fabian von Wegen zu erwachsen und überlegt. Es
ist etwas zwischen allem, was einen ansprechen kann. In
jeder Generation findet man jemanden, auf den „Sie ist
so Wow“ bis auf den Punkt zutrifft. Oder die bittere
Ballade von „Frau Meyer & Herr Schulze“, die eine
Aufforderung ist, wieder mehr zu Leben obwohl wir
eigentlich gar keine Zeit haben.
Natürlich hat „Emotionale
Zitronen“ seine Radiotauglichen Gassenhauer. Aber
besonders Interessant sind gerade die leisen Töne auf
der Platte. Damit unterstreicht Fabian von Wegen, dass
die Platte keine lapidare Eintagsfliege sein soll,
sondern dass man erwarten kann, das dem Debüt weitere
Platten folgen werden.
10.02.2013: Depeche
Mode - Heaven (Single)
Ich
habe es ganz bewusst vermieden, mich zu den Phantasten
oder zu den gnadenlosen Kritikern zu gesellen und habe
der neuen Single „Heaven“ von Depeche Mode eine ganze
Woche Zeit gegeben, auf mich zu wirken.
Und es hat gewirkt.
Selten war ich als Depeche Mode-Fan auf der einen Seite
so enttäuscht und doch hoch erfreut über eine neues
Lebenszeichen. Mit „Heaven“ machen Depeche Mode
eigentlich nichts anderes als sonst. Alle erwarten nach
dem Track „Angel“, der bereits im Herbst 2012 auf der
Pressekonferenz gespielt wurde, dass sich Depeche Mode
mit einer harten Electro-Blues-Rock-Mischung auf der
Bildfläche erscheinen. Und ähnlich wie früher mit „I
feel you“ oder „Personal Jesus“ drehen sie den Spieß um.
Die Bombasthymne „Heaven“ ist sehr minimalistisch
angelegt. Drums, Klavier, Gitarre und ein wenig
Spielerei, das muss reichen. Darüber liegt Dave Gahan’s
Gesang, der von Platte zu Platte immer besser wird. Der
Mann läuft bei „Heaven“ zu Höchstformen auf. Mit
Sicherheit fühlt er sich gestärkt durch seine Arbeit mit
den Soulsavers 2012. Man hört es ihm an. Und direkt
darunter liegt die Gesangsspur von Martin Gore. Die
beiden alten Herren harmonieren so gut, wie schon seit
so vielen Jahren nicht mehr. „Heaven“ ist eine Hymne. So
bombastisch, dass ich mich frage, was bei Martin Gore
zum letzten Album schief gegangen sein muss. Eher
enttäuschend für mich sind dann mal wieder die
unzähligen Remixe, die Depeche Mode wieder haben
anfertigen lassen Der „Owlle Remix“ ist hierbei der
gelungenste, der Depeche Mode mit „Heaven“ auch wieder
mal eine Rotation im Radio bringen könnte.
Der „Steps To Heaven Rmx “ sowie der
„Matthew Dear Vs. Audion Vocal Mix“ sind für mich
persönlich, wie viele Mixe in den letzten zwanzig Jahren
nichts anderes als Zeitverschwendung. Relativ
unterhaltsam klingt da dann doch schon der „Blawan
Remix“.
Eine wirklich
Überraschung für jeden Depeche Mode-Fan muss der
Bonustrack „All thats mine“ sein. Depeche Mode spielen
wieder. So kann man es am besten betiteln. „All thats
mine“ hat alles, wirklich alles, was alteingesessene
Devotees in den ganzen Jahren vermisst haben. Die
Bassline wummert durch die Boxen gepaart mit
Synthiespielereien, die nicht künstlich alt wirken
sollen, mit einem wunderschönen Refrain in der Mitte.
Man fühlt sich zurückversetzt in die Zeit von „Black
Celebration“ oder „Violator“. „All thats mine“ beweißt
es mal wieder, dass Depeche Mode gerne ihr Potenzial,
die Fans zu begeistern unterschätzen. Nicht selten sind
Fanlieblingssongs als Single-B-Seite verendet.
Mit „Heaven“ und „All
thats mine“ haben Depeche Mode auf jeden Fall die
Vorfreude auf das kommende Album „Delta Machine“ noch
mehr gesteigert. Sie können es noch. Und das ist gut so!
10.02.2013: Douglas
McCarthy - Kill Your Friends
Ich
habe mich ehrlicherweise sehr schwer getan mit dem
Gedanken, dass Douglas McCarthy jetzt nach höherem
strebt und jetzt versucht, auch als Solokünstler zu
punkten.
So dreht sich „Kill Your
Friends“ schon zum geschätzten hundertsten Mal im Player
und versucht mich davon zu überzeugen, dass McCarthy es
auch ohne Nitzer Ebb schaffen kann. Er kann es mit
Sicherheit. Aber wer nun mal den Ruf weg hat, Shouter
bei einer der wichtigsten EBM-Bands der
End-Achtziger/Anfang Neunziger zu sein, der muss sich
ganz weit aus dem Fenster lehnen, um eine sichere
Landung hinzubekommen.
„Kill Your Friends“
beginnt sogar gar nicht so schlecht. „Death is king“
kommt mit leichten Club-Beats gepaart mit einer
typischen Bassline, die sich McCarthy mit Sicherheit aus
dem Fundus von Nitzer Ebb ausgeliehen hat. Aber McCarthy
mit Backingvocals eines Frauenchors, das ist mir schon
neu. Der Track lässt mich aufhorchen. Aber einen
Weltenbrand am Anfang einer Platte zu erwarten, wäre
jetzt übertrieben.
Mit „Hey“ tue ich mich
dann aber auch ganz schnell schwer. Zu schnell ist für
mich zu erkennen, dass Doug McCarthy bei der Platte sich
zu sehr an allem bedient, wo er in den Jahren sich
musikalisch beteiligt hat. Bei „Hey“ ist eine
entschiedene Portion zu viel RECOIL eingeflossen. Auch
wenn es nicht abgekupfert klingt, die Anlehnung an die
Arbeit mit Alan Wilder ist mir nach dem Opener eine Spur
zu viel.
Aber McCarthy versucht
auch eigene Wege zu gehen. Da fällt mir das strange
„Find you“ am ehesten ein. Siebziger Backingvocals und
mit elektronischen Spielereien und einem überraschenden
Refrain. Ich glaube, einen meiner Lieblingstracks
gefunden zu haben.
Aber kaum finde ich einen
Track, der mich nach vorne bringt, schlägt McCarthy eine
Kehrtwendung ein. „Move on“ ist ein typischer Nitzer
Ebb-Track. Harte Bassline, McCarth-Shouts, alles da.
Alles schon mal gehört.
Douglas McCarthy hat es
nicht geschafft, mich zu überzeugen. Ich erwarte, wenn
ein Frontmann eine Soloplatte machen will, dass er
Veränderung will. Im Ganzen beinhaltet „Kill Your
Friends“ keine nachhaltigen Überraschungen. Douglas
McCarthy kann nicht aus seiner Haut und es wird auch
kein großer Sänger aus ihm. Er ist ein guter Shouter
aber kein begnadeter Sänger.
13.10.2012: Muse - The 2nd Law
Mp3 Download
Ich
habe es beabsichtigt vermieden, mich den ersten
Eindrücken von Muse‘ neuem Album „The 2nd Law“
hinzugeben. So eingängig kann die Platte doch nicht
sein? In England und auch bei uns von vielen Anhängern
der ersten Stunde als Abschaum und Schrott betitelt,
wollte ich diese Platte erst mal ein bisschen sacken
lassen ohne auf irgendeinen Meinungszug aufzuspringen.
Dennoch
muss ich für mich erkennen, dass der erste Eindruck
schon wegweisend sein kann. „The 2nd Law“ weicht an so
einigen Stellen gravierend vom typischen Muse-Stil ab.
Sie öffnen sich anderen Stilen mehr denn je ohne sich
anzubiedern.
Die erste
Singleauskopplung „Madness“ baut sich langsam auf und
endet in einer wahren Hymne. Der Track entwickelt sich
vom mystischen Leisetreter mit Electroeinflüssen zum
Rockbrecher, wie ich es eigentlich von Muse eher
erwartet hatte. Das äußerst geniale Video thematisiert
Gewalt im Ganzen und zeigt die surreale Welt, wo sich
mitten in einem Straßenkampf mit der Polizei zwei finden
und wieder verlieren.
Die Abkehr
vom Bombastrock hin zum funky Dancefloor zelebrieren
Muse mit „Panic Station“. Anlehnungen an siebziger und
achtziger Black-Disco lassen mich dann zwar kurz mal
überrascht zusammen zucken, aber dann groovt es
gewaltig. Selten habe ich im Backkatalog von Muse ein
Brett wie dieses gehört.
Mit „Survival“
haben Muse ja bekanntlich den Titeltrack zu den
olympischen Spielen in London abgeliefert. Der Track
beruhigt da schon wieder fast die Muse-Anhänger. Wobei
ich mich doch ein wenig zu sehr an Queen erinnert fühle.
Zwar haben sich Muse schon immer in diesem musikalischen
Umfeld bewegt, aber jetzt ist es dann doch genug. Das
hat mehr mit Musical als mit Rockmusik zu tun.
Überrascht
bin ich dann wieder von „Safe me“. Einem eher ruhigeren
Track, der ausnahmsweise mal nicht von Matthew Bellamy
gesungen wird. Dafür darf Bassist
Christopher Wolstenholme
dann mal ans Mikro. Der Track ist für mich extrem
untypisch für Muse und steht auf dem gesamten Album eher
alleine da.
Aber ist „The
2nd Law“ jetzt eine gute Platte? Ja mit Gewissheit. Muse
verstehen es den Geist von Freddie Mercury und Queen mit
dem Funk eines Prince zu kombinieren. Nach dem
bombastischen 2009er „Resistance“-Album haben sie gut
daran getan, sich anderen Genres zu öffnen. Aber nicht
zu sehr, dass sie ihr Gesicht verlieren. Muse bleiben
immer noch Muse. Keine Angst!
04.10.2012: Susanne
Sundfør – The Silicone Veil
Mp3 Download
Okay
hier hat man es jetzt mal nicht mit leichter Kost zu
tun. Susanne Sundfør tritt nicht unbedingt an, um die
breite Masse zu befriedigen. Eine Mischung aus
psychodelischen Sixties-Klängen, gepaart mit traurigen
Texten voller Verzweiflung und Trauer plus eine
gewaltige Priese moderner elektronischer Beats und
Effekten.
Susanne
Sundfør nimmt auf „The Silicone Veil“ den Hörer mit auf
eine Reise durch nordische Ebenen die tiefer nicht sein
können. „White Foxes“ sprüht musikalisch so viel
Optimismus aus, dass mich anhand des Textes nur die
Musik vom schnellen Suizid abhält. Wer so tief traurige
Geschichten so positiv erzählen kann, wird kein
schlechter Mensch sein.
„Can you
feel the Thunder“ ist so getragen, dass es mir das Blut
in den Adern gefrieren last, bevor es 32 Takte später
wieder aufgekocht wird. Das Wechselbad der Gefühle für
kalte Herbsttage geht direkt in das wunderschöne
Instrumental „Meditation In An Emergency“ über. Nicht
zuckersüß sondern schön klingt es und man bekommt Bilder
im Kopf aus irgendwelchen nordischen Krimis am
Sonntagabend.
„The
Silicone Veil“ – der Titeltrack des Albums des Albums
gipfelt für mich neben Elfenhaften Lyrics in einem
Electro-Track mit hohem Unterhaltungswert. Stellenweise
fühle ich mich an frühe Ultravox erinnert, was wohl an
der Klavierkomposition liegen wird.
Susanne
Sundfør hat mit ihrem eine perfekte Antwort auf alle
gegeben, die immer dachten, neben Alan Wilders „Recoil“
schafft es keiner, ebenso fesselnde Klänge zusammen zu
fügen. Der Herbst 2012 hat seinen Soundtrack und Susanne
Sundfør hat ihn kreiert.
Da
ist er ja wieder! Tausend Mal ist er schon musikalisch
gestorben und doch immer wieder irgendwie
wiederauferstanden. Joachim Witt hat nach allen
Todessehnsüchten der Bayreuth-Reihe endlich ein neues
Fahrwasser gefunden. Das mittlerweile 63 jährige
Urgestein der deutschen Popmusik wendet sich ab vom
Rammsteinischen Brachial-Rock zu nachdenklichen Tönen,
die geprägt sind von Glaubensbekenntnissen und
Läuterung.
„DOM“ wird eröffnet von
der pompösen Vorabsingle „Gloria“, wo sich Witt direkt
an eine höhere Macht zu wenden scheint. Der Glaube an
Gott oder die Suche danach wirkt beim ersten Durchlauf
eher belanglos. Erst beim wiederholten Male öffnet sich
einem der Text. Was Joachim Witt allerdings bei der Idee
zum Video zu „Gloria“ geritten haben könnte, weiß der
Meister nur allein. Soldaten schänden Frauen und Kinder
bevor ihnen Flügel wachsen und sie um sich schießend ins
Himmelreich aufsteigen. Keine leichte Kost, die im
weichgespülten Musik-TV der Gegenwart wenig Anklang
finden wird.
Aber kann man Joachim
Witt den Wandel zum gläubigen Prediger abnehmen? Nein,
denn er wäre nicht Witt, wenn er nicht doch noch
irgendwo einen kleinen Widerhaken eingebaut hätte. An
unbefleckte Empfängnis und den heiligen Geist kann ich
auch nach „Dom“ nicht glauben. Sonst würde er sich nicht
in „Komm nie wieder“ abwenden. Ob vom Glauben oder von
jemanden, bleibt unbeantwortet. Eine große Ballade von
Trennung und Schmerz, die auch persönlicher Natur sein
könnte.
Mit „Dom“ scheint sich
also der Kreis zu schließen. Der Herbergsvater hat die
Flut überstanden und der goldene Reiter hat den Gaul
abgesattelt. So scheint sich Witt in „Untergehen“ vom
Hörer zu verabschieden. Die nächste thematische Stufe im
musikalischen Schaffen ist erklommen.
Anspieltipp: „Gloria“,
„Jetzt geh“, „Komm nie wieder zurück“, „Untergehen“
20.09.2012: Pet Shop Boys - Elysium
Mp3 Download:
Was
soll man schlechtes über die Pet Shop Boys schreiben,
wenn einem nichts einfällt? Schon schwierig objektiv zu
beurteilen, ob Neil Tennant und Chris Lowe es geschafft,
einen ebenbürtigen Nachfolger für ihr 2009er Album „Yes“
zu kreieren. Die Frage, die sich stellt ist, ob sie es
überhaupt wollten.
Die Pet
Shop Boys sind nach fast dreißig Jahren im Business an
einem Punkt angekommen, wo sie endgültig alle Zwänge
ablegen könnten, wenn sie denn welche hätten.
Grundsätzlich sind ihre Platten anders ausgefallen, als
man es sich gedacht hat. Doch irgendwie zieht sich diese
Methode durch ihre gesamte Karriere. Dem Überalbum „Actually“
(1987) folgt das etwas sperrige „Introspective“ (1988)
und dann auf dem ersten Höhepunkt das fast schon düstere
„Behaviour“ (1990).
Und so ist
es dann auch jetzt wieder verlaufen. Nach „Yes“ und der
grandiosen „Pandemonium-Tour 2009“ haben Tennant und
Lowe wiedermal die Bremse angezogen und legen mit
„Elysium“ ein eher verhaltenes Album vor, dass leider
viele Kritiker hervor ruft, die PSB im Endstadium sehen.
Das Album gleich mit einem Trennungssong „Leaving“ zu
beginnen ist mit Sicherheit ein nicht so positiver
Einstieg. Wobei der Song eigentlich nichts anderes als
ein Klassiker sein muss. So haben sich die Pet Shop Boys
immer angehört. Keine grellen Farben, keine lauten
Bläser sondern britisches Understatement. Überraschter
bin ich dann doch von der Vorabveröffentlichung von „Invisible“.
Der Track ist für meinen Geschmack als Appetitanreger
sehr gewagt ausgewählt gewesen. Das Video allerdings
empfand ich als künstlerisch sehr gelungen. Akteure
entsteigen Bildern und verschwinden darin und werden
unsichtbar.
Mit „Winner“
haben die Pet Shop Boys es wohl gezielt auf die
olympischen Spiele in London abgesehen. Der Track
gleicht einer Hymne, die allerdings so durch plätschert,
ohne großen Wiedererkennungswert. Und so scheint die
Platte nicht wirklich an Fahrt aufzunehmen. Ruhige
mystische Töne und eher langsame Tracks überlagern. Bis
auf wenige Ausnahmen („Face like that“, „Ego Music“)
bleibt es auch dabei. Einziger Rausreißer ist dann noch
das positive „Hold On“. Mit großem Chor verspricht Neil
Tennant uns, dass wir alle durchhalten sollen. Hier
haben die Pet Shop Boys alles aus der Schnulzschublade
geholt. Die Einflüsse ihrer Ausflüge in die klassische
Musik oder auch in die Musical-Produktionen werden in
einem zusammen gefasst.
In den
ersten Durchläufen hat mich „Elysium“ am ehesten an die
„Behaviour“ erinnert. Keine lauten Töne aber trotzdem
ein weiteres Stück im großen Pet Shop Boys-Puzzle. Eine
Platte, wie man mit Verlaub sagen muss, auch dem Stand
ihrer Karriere zugestehen muss.
11.09.2012: De/Vision - Rockets & Swords
Mp3 Download:
Es
gehört schon einiges an Können dazu, sich zwanzig Jahre
im Showbiz zu halten. Alles ist schnelllebig und
austauschbar. Nur wer sich in den Vordergrund drängt,
bleibt im Gespräch. Ob positiv oder negativ ist völlig
egal. Die PR-Maschine muss gefüttert werden auch wenn es
eigentlich keinen interessiert, was innerhalb von Bands
so passiert. Dreckige Wäsche muss. Danke Facebook und
Twitter in der Öffentlichkeit ausgetragen werden. Da
freut es mich umso mehr, dass Steffen und Thomas, besser
bekannt als De/Vision, sich an solchen Machenschaften
nicht beteiligen müssen.
Kontinuierlich sind ihre Platten im Gegensatz zum
Einheits-Electropop abseits der Norm. Immer wieder
werden kleine oder größere Widerhaken in ihre
Produktionen eingebaut, sodass man auch bei älteren
Platten auch heute manchmal überrascht die Augenbrauen
hoch zieht. So auch jetzt wieder bei ihrem neuen
Longplayer „Rockets & Swords“. Auch wenn ich viele Jahre
den rockigen Zeiten der „Void“ (2000) nachgetrauert
habe, bin ich nun auch vollends davon überzeugt, dass
De/Vision ihre vollkommene Rückkehr zum Electropop
erfolgreich abgeschlossen haben.
Selten hat
mich eine Platte von ihnen in all den Jahren so
durchgehend unterhalten. Schon der Opener „Boy Toy“, der
ein wenig mystisch klingt. Eine Mischung aus Kraftwerk
und Haujoob. Das De/Vision ihre Wurzeln im Synthiepop
haben bleibt an manchen Stellen nur angedeutet, lässt
sich anderswo nicht leugnen (Superhuman/Bipolar). Schwer
tragene Töne und zuckersüße Balladen (Beauty of Decay)
zeigen auf, welches kreative Potenzial dieses Mal
ausgeschöpft wurde.
Der
Höhepunkt des Albums ist aber definitiv die erste
Auskopplung „Brotherhood Of Man“. Der minimale Einsatz
der Gitarre und die Stimme von Chrystin Fawn (Hearhere)
als Gastsängerin fesseln mich mit jedem neuen Anlauf.
Wer das wirklich gute Video gesehen hat, wird die Bilder
nicht wieder los. Ein Jammer, dass das klassische
Musikfernsehen in Deutschland mehr als klinisch tot ist.
Aber auch Video hatte sich der Track frühzeitig in
meinen Gehörgängen eingenistet.
Mit „Binary
Soldier“ locken De/Vision dann auch endlich mal wieder
die Hörerschaft auf die Tanzfläche. Obwohl so eingängig
ist der Track aber auch wieder abseits von vielem, was
heute so im Electropopbereich vorgesetzt wird.
De/Vision
haben (mal wieder) keine Tanzplatte gemacht. Das
brauchen sie auch nicht. Dafür sind andere Bands da.
Denn Tanzplatten sind auch schnell im Regal
verschwunden. „Rockets & Swords“ beinhaltet das breite
Spektrum von Steffen und Thomas und beweist, dass sie im
Gegensatz zu so einigen andren Bands ihr kreatives Feuer
noch nicht komplett verschossen haben und auch nach so
vielen Jahren noch überzeugen können.
11.09.2012: Sebastian Lind - I will follow
Der
Sommer ist noch nicht ganz vorbei, da flattert mir das
erste wirkliche Herbstalbum 2012 ins Haus. Sebastian
Lind sagte mir bis dato nichts. Also dann mal rein hören
und überraschen lassen. Schwermütige Klänge, klagender
Gesang erwarten mich gleich beim Opener „Still here“.
Hier wird mir offenbat, dass sich hier keine
schnelllebige Platte dreht, die mal eben so durchläuft.
Da steckt mehr drin.
Und so
geht es dann auch gleich mit „Another you“ weiter. Der
Track ist nicht überlagert durch diverse Klangteppiche
oderSamples. Der 23 jährige Däne Sebastian Lind hat das
Album minimal arrangiert. Gitarre, Drums und ab und an
einige Samples und dazu nur die fesselnde Stimme reichen
völlig aus.
Die
digitale Auskopplung „Never let go“ kommt mir vom ersten
Klang an bekannt vor. Liegt es an der Tatsache, dass
Sebastian Lind es geschafft hatte, den Track auf dem
Soundtrack für die Verfilmung von Susanne Fröhlich’s
„Frisch gespresst“ unterzubringen? Oder liegt es einfach
an der Eingängigkeit des Tracks.
Es ist
schon gewagt, so eine Platte wie „I will follow“ zu
veöffentlichen. Aber eigentlich ist es egal, wie der
Rahmen aussieht, wenn das gemalte Bild für sich
begeistert. Kommerziell erfolgreich zu sein, ist sehr
schwer. Aber wer den Mut aufbringt, für seine
musikalische Überzeugung einzustehen und auch in dr noch
so lauten Zeit ein leises Album zu veröffentlichen, der
hat den Erfolg verdient.
11.09.2012: Phillip Boa & The Voodooclub - Loyality
Mp3 Download:
Fast
hätte ich es verpasst. Das Großmaul aus Dortmund, der
Großvater der deutschen Indiependentszene hat eine
Platte raus gehauen. Phillip Boa hat den Voodooclub
zusammen getrommelt um es allen anderen nochmal zu
zeigen. Und Boa wäre nicht Boa, wenn er nicht allen
anderen verbal die Fresse polieren würde.
„Loyality“
wird vieler Orts als bestes Album seit mindestens
zwanzig Jahren gefeieret. Sowit würde ich jetzt nicht
gehen wollen. Aber Boa hat wohl die schönsten Melodien
zusammen gesucht, die sein kleines Notitzbuch und sein
Taperecorder so gesammelt haben. Würde der Mann sich
nicht so vehement gegen das Buisness wehren, würde er
ganz oben mitschwimmen und seine „Black Symphony“ würde
aus tausenden Radio plären.
Boa klingt
auf „Loyality“ niht altbacken oder angestaubt. So frisch
habe ich ehrlicherweise eine neue Platte nicht erwartet.
Auch wenn das Ansehen von Pia Lund doch mit den Jahren
nicht mehr frisch wie ein Pfirsich irkt, so klingt ihre
Stimme noch so wie zu „Container Love“. Phillip Boa
scheint seine eingängigen Stücke, wie z.B. „Want“ direkt
für Pia gechrieben zu haben. Laut und dreckig, mit einer
Enlgelsstimme verziert.
Eigentlich
ja alles wie immer könnte man denken. Aber Phillip Boa
hat sich musikalisch wieder mehr geöffnet. Lässt auch
Einflüsse anderer Bands wieder mehr Raum. Egal ob von
New Order (Til The Day We Are Both Forgotten) oder auch
Electrosamples bei “My Name Is Leon”, die die gleich das
Grundgerüst des Tracks darstellen. Wobei Boa in sehr
vielen Tracks mit Keyboards zu arbeiten scheint. Selten
habe ich in den letzten Jahren ein Album von ihm gehört,
dass so voll mit Technik gepackt war.
Selten war
Boa auch so experimentell und doch so typisch. „Lobster
in the Fog“ wandelt zwischen den extravaganzen hin und
her und endet dann doch wieder in den typischen Klängen,
die man erwartet. Boa fordert vom Hörer Gehör wobei er
den Hörer auch gleichzeitig nicht überfordert.
„Loyality“
mutiert nicht unbegründet zum bisher erfolgreichsten
Boa-Album. Der Meister hat sich gefunden und sich das
Geschenk zum 50.Geburtstag im Januar 2013 selbst
gemacht.
11.06.2012: Ultravox - Brilliant
Mp3
Download:
Es
scheint ja momentan wieder ganz groß in Mode gekommen zu
sein, dass sich Bands, die eigentlich nie wieder etwas
miteinander zu tun haben wollten, wieder zusammen finden
um es miteinander zu probieren. Manchmal kommt man über
eine gemeinsame Tour nicht hinaus, z.B. Yazoo 2008, oder
man bleibt weit hinter den Erwartungen zurück und
versucht sich irgendwie mit Tingeltangelshows über
Wasser zu halten.
Natürlich
kann es auch mal gut gehen. Bestes Beispiel dafür ist
wohl OMD, die nach einer grandiosen Reunion-Tour quer
durch Europa ein wirklich großartiges Combackalbum „History
Of Modern“ mit noch größerer gefeierten Tour
ablieferten.
Als
Ultravox 2009 nach 25 Jahren Pause wieder gemeinsam auf
Tour gingen, war die sorge groß, ob das Bündnis
überhaupt bis zum Ende der Tour halten könnte. Es hielt
und war so fruchtbar, dass nun nach gut 28 Jahren ein
neues Studioalbum vorliegt, das einen auf eine Zeitreise
in die Achtziger schickt, ohne überheblich zu wirken. Im
Dschungel des Lady Gaga – David Guetta-Radioeinheitsbrei
klingt „Brilliant“ wie ein Befreiungsschlag für die
Generation jenseits der 35 Jahre. So ist der Einsteiger
„Live“ der Beginn einer sehr guten Platte, welche man
den gesetzten Herren um Midge Ure. Der Track braucht
eine halbe Minute und man sagt sich, es ist so wie immer
nur schöner.
Mit dem
Titeltrack „Brilliant“ wird man direkt ins Jahr 1984
geworfen. Mir kommt es fast so vor, als würde dieser
Track schon auf mindestens eintausend 80’s-Compilations
vertreten gewesen sein. Als erstes fällt mir die
Bassline auf. Eher was von „We came
to dance“ als „Dancing with tears in my eyes“.
Ultravox
machen eigentlich genau das, was die Hörerschaft von
ihnen erwartet. Sie verstellen sich nicht sondern
knüpfen ungekünstelt da an, wo sie aufgehört haben
gemeinsam zu arbeiten. „Change“ ist dafür auch ein gutes
Beispiel. Immer noch versteht es Midge Ure gute Songs zu
komponieren, die auch dann ins Ohr gehen, wenn sie nicht
aufs Radio ausgerichtet sind, sondern auch mal etwas
ruhiger daher kommen.
„Rise“
klingt da schon für Ultravoxverhältnisse zu modern und
verspielt. Aber es soll ja nicht das Gefühl von 1984
künstlich aufrechtgehalten werden. Natürlich darf auch
ein Billy Currie mit der modernen Technik spielen, wobei
darauf geachtet wird, dem Hörer nicht zu viel Modernes
zu zumuten.
Ultravox
sind auch auf ihre alten Tage immer noch ein wenig
avantgardistisch ausgerichtet. Das merkt man auch wieder
beim Aufbau von „Fall“. Einem meiner favorisierten
Tracks auf dem Album. Nicht immer nur laut, sondern auch
mal wieder ein wenig zurückhaltender und mystisch.
Aber ist „Brllliant“
jetzt nur eine Platte für die „ältere Generation“? Nein.
Jeder kennt die typischen Gassenhauer Ultravox‘ und die
findet man überall irgendwo wieder. Klassische Attitüden
und harte Riffs sind zugegen und alles wird überstrahlt
von der Stimme Midge Ure’s, die aber ohne den
musikalischen Einfluss von Chris Cross und Billy Currie
nicht die Wirkung erzielen würde, die nun vorliegt.
Anspieltipps: Live, Brilliant,
Change, Fall, Lie
Im Herbst
werden Ultravox dann auch wieder auf deutschen Bühnen z
sehen sein, wo sie dann auch wieder den Beweis antreten
werden, dass sie nicht wirklich zum alten Eisen gehören.
06.06.2012: AndOne - S.T.O.P. + Triebwerk e.p.
Mp3
Download:
“Ach
geht mir doch los mit AndOne“ – so oder ähnlich könnte
ich meine erste Reaktion auf den neuen Longplayer der
Band um Steve Naghavi am besten beschreiben. Zu sehr war
ich genervt von den ganzen Geschichten, die den Fans
innerhalb der letzten zwölf bis vierzehn Monate
zugemutet wurden. Das Tanz-O-Mat Album und die lästige
Geschichte um eine Tour mit Unheilig und der Griff zu
den Sternen, der dann doch wegen vernünftigerweise zu
kurzen Armen ausgefallen ist. Eine komplette
Bandumbesetzung und der Kleinkrieg mit den ehemaligen
Bandmitgliedern und den Machern von Lola Angst… All
diese Dinge können das Bild um ein neues Album sehr
verzerren. Dabei hat es die S.T.O.P. beim besten Willen
nicht verdient, mit solchen Geschichten gepusht zu
werden.
Was mir
gleich auffällt, ist das fehlende Intro auf der Platte.
Dafür startet das Album mit der AndOne-Hymne
schlechthin. „Shouts of joy“ bringt wohl genau das auf
den Punkt, was Steve Naghavi von seiner Hörerschaft
erwartet und was sie von ihm erwarten. Bereits als der
Track als Vorabsingle veröffentlicht wurde, war ich sehr
positiv angetan von dem, was wohl auf dem Album folgen
wird. Einen besseren Einstieg in ein Nach-Kriese-Album
hätte es kaum geben können. Wobei es immer gefährlich
erscheint, eine Platte mit einer aktuellen Single zu
beginnen. Da kann auch schnell mal eine lange Leere
folgen. Bei „Killing the mercy“ aber hat Naghavi endlich
wieder zu seiner mystischen Dramaturgie zurück gefunden,
die ich seit bald 20 Jahren vermisst habe. So I.S.T.
AndOne zu einer meiner favorisierten Bands geworden. „Memory“
hat dann wieder zwei bis drei Anläufe gebraucht, um zu
landen. Der erste Eindruck suggerierte mir eine banale
Electropopnummer ohne wirklichen Wiedererkennungswert.
Mittlerweile kann ich mir den Track als eine potenzielle
Single ganz gut vorstellen. Da AndOne selten in all den
Jahren die besten Tracks eines Albums als Single
verheizt haben, schein „Memory“ als sehr geeignet.
Äußerst
Überrascht bin ich von „Aigua“. Einem ruhigen
Zwischentrack, der weder von Steve Naghavi noch von dem
Wiedergekehrten Joke Jay gesungen wird. Eine zarte
Frauenstimme haucht in mein Ohr und lässt mich fast
dahin schlummern bevor ich wohl zu einem absoluten
Highlight in der Diskografie von AndOne komme. „S.T.O.P.
the sun“ ist das wohl poppigste, eingängigste Stück,
welches bisher von AndOne veröffentlicht wurde. Die
Vocals teilen sich Steve und Joke. Die Bassline und
Synthis waren wohl selten so satt prodoziert wie in
diesem Track. Sollten AndOne je kommerziell gewesen
sein, dann spätestens jetzt. Wobei der Track sich nicht
der Masse anbiedert. Natürlich sind hier neben Pet Shop
Boys-Bubblegummelodien auch andere Register gezogen. So
mundet der Track für mich in einem fast schon New
Orderischem Finale.
Fast schon
aussätzig kommt da schon das eigentlich eingängige „Back
home“ rüber. Ich kann mir nicht helfen aber irgendwas
müssen AndOne im Gegensatz zur Singleversion verändert
haben. Der Track ist nicht mehr so fett und ein wirkt
ein wenig kraftlos im Gegensatz zu den andren Tracks auf
S.T.O.P.
Aber das
ist nicht das Ende der Platte. Das findet sich in zwei
der anspruchsvollsten Tracks die Naghavi wohl je
veröffentlicht hat. Dabei möchte ich nicht wissen, was
dem Mann durch Kopf und Hose gegangen ist, dass er es
tatsächlich geschafft hat, mit Douglas McCarthy von
Nitzer Ebb arbeiten zu dürfen. Sagen die einen, „The end
of our life“ hört sich wie von Nitzer Ebb’s letzem Album
übrig geblieben an, sagen die anderen, man versucht ein
wenig Recoil inspirierte Musik zu machen. Der Track ist
äußert genial und ich kann nicht sagen, was zuerst da
war. Der Track oder die Stimme. „No words“ unterstreicht
wieder einmal für mich, dass Steve Naghavi ein Gespür
für sehr interessante Melodien hat. Mag es an der neuen
Besetzung liegen, die in anspornt solche Tracks zu
schreiben oder seine mentale Verfassung. Vielleicht
sollte er sich verstärkt auch mit Filmmusik
beschäftigen. Schon immer waren seine instrumentalen
Intermezzo sehr gefühlsbeladen oder geheimnisvoll.
„No words“
entlässt den Hörer aus einem elitären Album in der
Geschichte von AndOne. Langfristig lassen sie sich die
wichtigsten AndOne-Alben an einer Hand abzählen: SPOT
(1993), I.S.T. (1994), Bodypop (2006) und definitiv
S.T.O.P.
Steve
Naghavi hat sehr gut daran getan, sich nicht mit dem
Teufel, in diesem Fall einem Majorvertrag, einzulassen.
S.T.O.P. wäre nicht die Kost, die die breite Masse hören
wollen würde und wäre mit Sicherheit auf Grund von
Eingriffen seitens der Radioproduzenten zu banalem
Weichspülpop verkommen. Und das wäre in diesem Falle
äußerst Schade gewesen.
Der
geneigte Fan greift natürlich, wenn sich die Gelegenheit
bietet, extra zu und schnappt sich die S.T.O.P. mit der
Bonus-e.p. „Triebwerk“ aus dem Regal. Hier haben AndOne
dann auch mal wieder die härtere Gangart eingeschlagen.
Hartfloor EBM bei „Get it“ mit einem Duett von Douglas
McCarthy und Steve Naghavi lässt die Herzen schneller
pumpen und die Boxen dröhnen. Harte Kost für den
Tanzboden, wobei AndOne hier nicht einfach nur rum
ballern. Das ist einer von diesen Tracks, wo ich schon
fast enttäuscht bin, wenn ich nach vier Minuten von der
Tanzfläche gespült werde. H.A.T.E. ist jetzt nicht der
schnelle Burner. Durch die treibende Bassline und dem
dramatischen Chorus aber Aushängeschild für die neuen
AndOne.
Tja und was soll
man da noch
sagen „What you gonna do with the one and one?“.
Irgendwann muss Naghavi ja
mal auf die turbulenten Zeiten kommen. Besser als der
banale Ausruf „We alive“ kann man die S.T.O.P. zusammen
mit der Triebwerk e.p. nicht beschreiben. Der
Leckgeschlagene Dampfer ist aus dem Dock und auf volle
Fahrt gegangen. Da fällt schon fast ein weiteres
Highlight des Albums hinten über nach dem ganzen Paket
geht „Low“ mit den Vocals von Eskil Simmonsson (Covenant).
Der Track ähnelt mehr Covenant als AndOne und lässt die
Frage offen, wer bei dem Track die Fäden in der Hand
hält.
S.T.O.P.
wäre mit Sicherheit ohne die Erfahrungen der letzten
Monate nicht zu dem Ergebnis gekommen, welches jetzt
vorliegt. Die Frischzellenkur hat dem Projekt AndOne
mehr als gut getan. Für mich klingt das Album so, als
wenn Steve Naghavi das Album nicht mehr im Alleingang
bestimmt hat, wie von ihm bei den letzten Alben
beschrieben, sondern dass er sich endlich mal wieder auf
andere Meinungen eingelassen hat und diese auch
umgesetzt hat. So ist doch jetzt alles gut und wir
freuen uns auf die kommende Tour im Herbst 2012 auf der
es jetzt zu beweisen gilt, die neuen AndOne auch live
umzusetzen.
01.06.2012: Oomph! - Des Wahnsinns fette Beute
Mp3
Download
Bang!
Da sind sie wieder. Die bösen Jungs der „neuen deutschen
Härte“ treten wieder an. Nachdem der „Eckstein“ wieder
alles versteckt hat und die große Zeit der Hitmaschine
Oomph! Wieder ein wenig gedrosselt wurde, haben sich
Dero, Flux und Crap endlich wieder auf das konzentriert,
was sie machen können. Und selten waren sie besser.
Schon die erste Single „Zwei Schritte vor“ zeigt wieder,
dass Oomph! Es aber nicht verlernt haben, subtile Texte
in harte Riffs zu verpacken. Das harte Grundriff treibt
den Track an und man verlangt nach mehr.
Doch „Des
Wahnsinns fette Beute“ besticht nicht nur durch harte
Riffs. Natürlich grasen Oomph! Wieder an vielen Ufern
und thematisieren nicht nur den einfachen wilden Sex
sondern bewegen sich auch fast schon Gefühlvoll bei „Bis
der Spiegel zerbricht“. Mehrmals hinhören musste ich
dann allerdings bei „Bonobo“. Hier sollte sich der
interessierte mal damit beschäftigen, was Bonobos sind.
Bonobos sind Affen, die ein sehr ausgeprägtes
Sexualverhalten haben. Daher dann also auch das
Interesse der Jungs von Oomph! Denn dass sich Oomph!
gerne mit dem Thema Sex und allen Begleiterscheinungen
beschäftigen, ist nicht erst bei „Bonobo“ oder „Deine
Eltern“ bekannt.
Sehr
interessant ist die die Neuinterpretation des
Achtziger-Klassikers „Smalltown Boy“ von Bronski Beat.
In der deutschen Version mit verändertem Text, nehmen
Oomph! das Thema nicht einfach auf die Schippe. Egal ob
Gangsterboss, Rocker oder doch vielleicht der
Fussballtorwart, der seine Neigungen versucht zu
verstecken. Alle bekommen sie ihr Fett ab, sollen aber
mit Sicherheit nicht verurteilt werden sondern eher
animiert werden, zu ihren Neigungen zu stehen.
Aber egal
ob „Regen“ oder „Kosmonaut“. Oomph! verfallen nicht der
Liebesduselei. Auch wenn ich ab und zu etwas irritiert
von den Texten bin, klingt es immer noch wie Oomph!. Und
wo wir gerade bei den Texten sind. Auf „Des Wahnsinns
fette Beute“ verzichten Oomph! komplett auf englische
Texte. Es klingt meist doch ehrlicher, in seiner
Muttersprache zu singen.
Die Platte
wird alle Gemüter beruhigen, die mit der kommerziellen
Ausrichtung der letzten Alben so ihre Probleme hatten.
Nicht so voll gepackt mit Technik, nicht so sehr
textlich auf Ohrwurm ausgerichtet haben Oomph! für mich
eines der ehrlichsten Alben seit „Plastik“ (1999)
geschaffen und haben auch mich zurück gewonnen.
Was
erwartet man von einem Album mit der Stimme von Peter
Heppner? Zu markant ist die Stimme, als man sie nicht
automatisch mit früheren Werken assoziiert. Es ist wohl
völlig egal, was Heppner macht. Solange er nicht mit
Nena oder Schiller zusammen arbeitet, wird er den „Wolfsheim“-Stempel
nicht ablegen.
„My Heart Of Stone“ macht im Grunde genau da weiter, wo
„Solo“ (2008) aufhört und geht noch einen Schritt
weiter. „Give us what we need“ ist genau das, was mein
geistiges Ohr als klassischen Wolfsheim-Track hören
möchte. Die sonore Stimme fesselt mit den ersten Tönen
und ich frage mich, warum es eigentlich die besagte Band
nicht mehr gibt. Deutlicher wird Heppner mit der ersten
Single „Meine Welt“. Oberflächlich naive deutsche
Wortspielerei, die aus einem Kindermund kommen könnte.
So erklärt sich dann auch gleich der „Kid-Edit“ wo sich
Peter Heppner Kinder ins Studio einlud, um den Text
gemeinsam einzusingen. Schade, dass „Meine Welt“ nicht
so den Airplayeinsatz in Deutschland findet, den es
verdient hätte.
Während Peter Heppner sonst als Gastsänger bei anderen
Projekten tätig war, hat er sich diesmal den Luxus
gegönnt, und seinerseits sich einen Gast eingeladen. Das
Duett „Deserve to be alone“ mit Kim Sanders klingt
traurig, resigniert und verzweifelt. Aber auch wenn man
es von Peter Heppner erwartet, ist „My Heart Of Stone“
nicht depressiv oder traurig. Die Erfahrungen durch
verschiedene Kollaborationen mit anderen Künstlern haben
bei der Platte ihre Früchte getragen. Egal ob
Kraftwerkeinflüsse (God smoked) oder simple Popmusik wie
bei „Cry tonight“ macht Heppner zu seinem eigenen Stil.
Egal ob es nun deutsche Texte sind oder in englischer
Sprache. Peter Heppner setzt auch die Worte wie
Instrumente ein. Einzig bei „Alles klar! – Lied für
Wettkämpfe“ wirkt im Chorus etwas gekünstelt. Heppner
kann eben doch eher von der tristen traurigen Welt als
die Begeisterung in einem Wettkampf anzufachen.
Mit „Heat Of Stone“ hat Peter Heppner einen weiteren
Schritt getan, sich als Solokünstler zu etablieren. Auch
wenn der Mantel der Vergangenheit wohl ewig auf seinen
Schultern lastet. Aber vielleicht wollen wir das ja
auch…
15.05.2012: Soulsavers & Dave Gahan - The Light The Dead See
Was
würde Martin Gore wohl ohne seinen Frontmann machen?
Spätestens jetzt muss jeder erkennen, dass Dave Gahan
weitaus mehr als nur eine kleine Tanzmaus ist, die mit
dem Arsch wackelt zu den Kompositionen Gore’s. Zwei
Soloalben abseits von Depeche Mode hat es gebraucht, bis
Dave Gahan zu seiner vollen Reife geschafft hat. Liegt
es an der Zusammenarbeit mit den Soulsavers oder
einfach, dass die Zeit reif ist. Was war zuerst, die
Musik oder das Wort?
Bei „The Light The Dead
See“ findet einfach alles zusammen und auch wieder
nicht. Für mich stellt sich die Frage, braucht Gahan
Depeche Mode oder braucht Depeche Mode mehr Gahan? Dave
Gahan quält sich und durchleidet in den 12 Tracks
nochmals seine Höhen und Tiefen eines Rockstars, der
eigentlich nichts anderes sucht als den inneren Frieden.
Besser als mit dem kurzen Intro „La
Ribera“ bei dem Dave seine Mundharmonika spielt und
gefolgt von dem fast schon befreienden „In the morning“
kann eine Platte nicht einsteigen. Sofort erkennt man
die Stimme und erkennt doch, dass man es hier nicht
einfach mit einer neuen Gahan-Platte zu tun hat.
„Why can’t you hear me, why don’t you heal me?
I’m lost…“ Gahan fleht um Erlösung und
erlebt sie in „Longest day“ welchs mir weiten aufzeigt,
die ich persönlich bei Depeche Mode selten in den
letzten Jahren erlebt habe. Geprägt durch seine
Krebserkrankung gibt sich Dave Gahan geläutert und
erkennt seine Nähe zu Gott und erbittet um Erlösung. Der
Rockmessias der neunziger Jahre hat endlich nach hause
gefunden und wird mindestens von mir mit offenen armen
empfangen. Mal brüllt er seine Emotionen in „Presensce
of god“ heraus, mal klingt er verletzlicher als ein
kleines Kind.
Einen Edelstein unter
Diamanten raus zu picken wird bei „The Light The Dead
See“ schon sehr schwer. In diesem Zusammenhang würde mir
am ehesten „Take me back home“ einfallen. Ich weiß
nicht, wen Dave da ansingt, aber er macht es mit hingabe
und ich fühle mich animiert, mir meinen persönlichen
Reim darauf zu machen.
Für Dave Gahan muss es
ein musikalischer Segen sein, auf
Rich Machin und Ian
Glover getroffen zu sein. Wie schon bei seinen ersten
Gehversuchen mit Knox Chandler haben es Ritch und Ian
verstanden, Dave’s Worte in Melodien zu betten sodass
ich mir schon jetzt eine weitere Platte mit Dave Gahan
und den Soulsavers wünsche.
15.05.2012: PAKT - Berlin
Mp3
Download:
Da
sind sie ja nun endlich. Die abtrünnigen
AndOne-Marionetten Gio van Oli und Chris Ruiz. Dank der
guten PR seitens Steve Naghavis wurden die Erwartungen
für das erste Album von PAKT künstlich hochgeschraubt.
Aber wer sollte sich dafür interessieren, welche
Streitigkeiten zwischen Naghavi, Ruiz und van Oli
wirklich stattfinden interessiert spätestens beim ersten
Durchlauf von „Berlin“ nicht mehr wirklich.
Die erste
Single „Freiheit“ schreit textlich noch danach, nach
Parallelen zum AndOne zu suchen. Aber spätestens nach
dem dritten Track „Burn Home Burn“ verdrengt man, dass
es mal so war, das die beiden PAKT-Jungs vor einem Jahr
noch in einer anderen Band agierten. Gekonnt bedienen
sie sich an diversen Einflüssen von Front 242 bis
Prodigy. Klanglich sauber produziertes Floorfutter.
Aber nicht
einfach nur Gas geben bringt den gewünschten Erfolg. Das
etwas schräge „Schwarz und Weiss“ erweist sich bereits
beim ersten Durchlauf als Widerhaken in meinem
Gehörgang. Ebenso ist es bei „Lichterloh“, einem
potenziellen Singletrack der durch seinen eingängigen
Chorus einen hohen Wiedererkennungswert hat.
„All
reminds me“ ist einer von diesen Tracks, die man sich
gerne immer mal wieder anhört, und die man nicht
wirklich greifen kann. Der Chorus erinnert mich an gute
alte Zeiten als es noch Bands wie Syntec gab. Lange ist
es her, nicht vergessen, nur vermisst. Bitte mehr davon!
„Egoshooter“
ist dafür einer dieser Tracks, die ich gerne nicht mehr
hören möchte. Der gute Chris fällt in alte „Fernsehapperat“-Zeiten,
die mein Empfinden für Grammatik komplett in den Lokus
jagt.
Selten hat
man in den letzten Jahren eine so gefühlvolle Ballade wie
„Liebespakt“ von einer Szeneband gehört. Besonders in
diesem Track wird dann auch mit dem Gerücht aufgeräumt, Gio könnte keine zwei Töne sauber singen. Der schmale
Grad zwischen Bombast und Schmalz wird nicht
überschritten und bewirkt in mir einmal mehr ein
erstauntes Gesicht. So einen Track hätte ich auf dieser
Platte wohl am wenigsten erwartet.
Auch wenn
das murren nicht nachlässt und viele Stimmen behaupten,
dass „Berlin“ eine reine Produzentenplatte ist, an der Chris
und Gio nicht wirklich viel beigetragen haben, legen sie
doch die Messlatte für ihren ehemaligen musikalischen
Wegbegleiter und das kommende Album fast schon
unerreichbar hoch. Auch wenn man sich an diversen
Einflüssen bedient, wird es bei „Berlin“ gekonnt
gemacht. Nichts wirkt ideenlos kopiert und billig
nachgespielt. So macht die Platte auch beim dritten oder
vierten Durchlauf immer noch Spaß. Empfehlenswert!
26.04.2012: Motor - Man Made Machine
Es war ja
höchste Zeit, dass Motor sich etwas einfallen lassen.
Nach den ersten drei Alben, die durch hyperaktive Klänge
und Beats und meist instrumentalen Tracks überzeugten,
war nach „Metal Machine“ (2009) eher die Luft raus.
Nachdem
dann die Ankündigung eines neuen Albums mit einigen
Gastsängern wie Gary Numan, Douglas McCarthy und Martin
L.Gore die Erwartungswelle extrem überschwappte, wurde
das Album „Man Made Machine“ mit Vorschusslorbeeren nur
so überschüttet. Und das zu Recht. Eingänge Beats, fette
Basslines und teilweise an alte Originale erinnernde
Songs lassen das Album in die High-Rotation gehen, ohne
dass es langweilig wird.
So haben
es Motor geschafft, Martin Gore einen Track auf den Leib
zu schneidern, von dem mit Sicherheit viele sich
gewünscht hätten, sowas von seiner Hauptband mal zu
hören. Ein Ritterschlag, dass Gore sich die Zeit
genommen hat. Aber nicht nur Gore hat das Glück. Auch
andere Stars der düsteren Muse treten in den
Gesangswettstreit. Kein geringerer als Gary Numan leiht
„Pleasure in heaven“ seine Stimme. Wobei ich ihn erst
nach mehrmaligen hören und lesen identifizieren konnte.
Auch ohne das Wissen, dass es Gary Numan ist, avancierte
der Track zu einem meiner Favoriten.
Zu
durchschaubar ist für mich im Gegensatz zu Gary Numan
dann doch eher „The Knife“ von Douglas McCarthy. Zu sehr
angelehnt an Nitzer Ebb kann der Track sehr schnell auf
die Nerven gehen. Dafür werde ich dann wieder mit den
„reinen“ Motor-Tracks entschädigt. „Autonme“ bleibt mir
gleich in den Gehörgängen hängen. Hätte ich jetzt nicht
erwartet. „Autographic“ könnte im Entferntesten an frühe
Electroclash-Zeiten erinnern.
Nicht
unbedingt jedermanns Sache aber mit Sicherheit Futter
für das verwöhnte Volk. Im Gegensatz zu den drei
Vorgängern auch eine Platte mit erhöhter Haltwertzeit,
wo es sich lohnen wird, sie später nochmals aus dem
Regal zu ziehen.
26.04.2012: Timid Tiger - The Streets Are Black
Lange
nichts gehört von Timid Tiger. Vor vielen Jahren habe
ich die Jungs mal live gesehen im Rahmen ihrer Promotion
zum ersten Album. Seitdem hatte ich die Jungs völlig aus
den Augen verloren. Jetzt dreht sich bei mir das neue
Album „The Streets Are Black“ und ich bin ein wenig
verwirrt. Haben sie früher doch gutgelaunten Poprock
gemacht, haben sie sich jetzt weit davon entfernt.
Electrotöne, Rapvocals und eine lässige Rapeinlage hier
und da waren für mich doch im ersten Durchlauf nicht
das, worauf ich mich freuen würde. So brauchte die
Platte auch nicht wenige Durchläufe bis ich mir ein
Bild machen kann. Bereits der Titeltrack „Miracle “ hat
sich mittlerweile zu einem meiner Alttagsfavoriten
gemausert. „Hangin‘ in the sun“ könnte mit viel Glück
bei mir zu einem Sommerhit avancieren. Das Gefühl, einen
Sonntagmorgen irgendwo zu verbringen und alles entspannt
zu sehen… Und wo wir gerade dabei sind, „Walking in the
sand“ klingt schon fast fröhlich und unbeschwert, dass
ich schon fast anfange, mit dem Fuss zu wippen.
Kann es
sein, dass die Band sich so verändert hat? Es scheint
so. Ab und an kommen noch mal wieder ansatzweise die
alten Klänge durch. Das Album wird aber von einer eher
durchgängigeren lässigen Stimmung durchflutet, die auch
schnell mal langeweilen kann. Einzelne Tracks stechen
dann aber auch wieder aus dem ganzen hervor, die dann
auch länger im Ohr bleiben.
09.10.2011: M83 - Hurry up, we're dreaming
Okay, okay
ich geb es ja zu. Eigentlich weiß ich so gut wie gar
nichts über M83. Warum eigentlich nicht. Hab ich sie
früher eigentlich eher mit avantgardistischem
französischem Electrodance assoziiert, muss ich jetzt
doch tatsächlich meine Meinung gewaltig überdenken.
Meine vorgefertigte Meinung könnte allerdings auch mit
einigen, sagen wir mal speziellen Remixen u.a. für
Depeche Mode und anderen beruhen.
Jetzt
dreht sich schon zum tausendsten Male das neue Album „Hurry
up, we’re dreaming“ in meinem Player und ich entdecke
immer wieder neue Seiten an der Platte. Denke ich erst
an eine eher banale Popnummer wie „Midnight city“, werde
ich langsam in eine Welt entführt, die süchtig macht.
Eine Radionummer, die ich wohl leider nie im deutschen
Mainstreamdschungel hören werde, da ein einzelner Track
schon zu anspruchsvoll für banale Airplaysender sein
wird.
Anfangs
werde ich dann auch auf die falsche Fährte geführt. Und
je weiter ich in die Platte eintauche, desto mehr öffnet
sich eine der besten Platten des Jahres. Ruhige Balladen
wie das wunderschöne „Wait“ oder dem bombastischen „Soon,
my friend“ wechseln sich wiederum mit dem
atmosphärischem „Raconte-moi une historire“ oder „Steve
McQuees“ab und so durchlaufe ich einem musikalischem
Wechselbad. Dabei verstehen es M83 sehr gekonnt, den
Hörer nicht an überdimensional lange Tracks zu ketten
sondern behalten sich das Recht vor, nach maximal
viereinhalb Minuten zum nächsten Abenteuer aufzubrechen.
Das Wagnis
einzugehen, ein Doppelalbum zu veröffentlichen deutet
bei „Hurry up, we’re dreaming“ schon an, dass man sich
Zeit nehmen sollte. Die Platte läuft nicht nebenbei, die
übernimmt die Hauptrolle. Das ist keine einfache
Popmusik, das ist kein Rock, kein Electro. „Hurry up,
we’re dreaming“ definiert für mich am ehesten den
Begriff „Weltmusik“.
28.09.2011: Erasure - Tomorrows World
Mp3-Download
Als
Erasure 1992 ihr Überalbum „Chorus“ veröffentlichen,
hatte Vince Clarke die perfekte Einstellung seiner
Sequenzer und Synthies gefunden. Das hat Vince und Andy
Bell so gut gefallen, dass man seitdem fast alle
Veröffentlichung in diesem Stil kreiert hat. Die Fans
mögen es, das beweisen immer wieder die ausverkauften
Konzerte. Einzig die Plattenverkäufe gehen seitdem
stetig zurück. Was soll man also tun?
Den
Paradiesvogel Andy Bell und den Denker und Tüftler Vince
Clarke mal so richtig mit einem Freak zusammen bringen
und das ganze durch schütteln und mal sehen, was raus
kommt. Das Ergebnis heißt „Tomorrows World“ und ist für
mich die erste wirklich neue Platte von Erasure seit
fast zwanzig Jahren. Produziert wurde die Platte ja
bekanntlich von Vincent „Frankmusik“ Frank, der dem
Album einen modernen Airplay-Schliff verpasst, ohne die
typischen Erasure-Klänge komplett zu verdrängen.
Der Opener
„Be with you“ geht mir sofort ins Ohr und verbreitet
einfach gute Laune. Sowas möchte ich auch mal im Radio
hören. Ein klassischer Erasure-Track, der sich sofort
öffnet. Wobei mir allerdings auffällt, dass Andy an
seinem Gesang gearbeitet hat. Wo nimmt dieser Mann diese
Stimme her?
Hatte ich
bei der Erasure Stipvisite im Sommer so meine Zweifel
bei dem Track „You’ve got to save me right now“ geht mir
dieser, wohl sperrigste Track des Albums sofort ins Ohr.
Eigentlich kein ungewöhnlicher Track aber in dem neuen
Erasure-Gewand etwas rotzig aber gut. Da kam dann wohl
die Experimentierfreudigkeit von Vince durch.
Was mir
besonders auffällt ist, dass „Tomorrows World“ wohl
wirklich das erste Dance-Album von Erasure ist. Am
besten merkt man das bei „I lose myself“, dem heimlichen
Höhepunkt der Platte. Treibende Discobassline, harte
Beats und Andys Stimme macht ein richtiges Brett aus dem
Track. Aufdrehen und wegblasen lassen!
Gibt es
denn gar nichts auszusetzen? Doch, mit Sicherheit.
Leider haben es Erasure „nur“ auf neun Tracks gebracht
und ich verspüre beim letzten Track „Just when i thught
it was ending“ einen Hauch von Wehmut. Besser kann eine
Platte kaum zum Schluss kommen. Keine Fülltitel, keine
überlangen Spielereien, keine Balladen. Ups, da ist es
dann doch passiert. Ich mag die Stimme von Andy Bell,
besonders wenn er ruhige Stücke wie „How many times“
oder „Spiraling“ singt. Das ist es, was ich vermisse.
Aber wer weiß, vielleicht hätte man ein ruhiges Stück
als störend empfunden, wenn man so eine Ansammlung von
guten Dancetracks vorfindet. Dank „Frankmusik“ haben
Erasure bewiesen, dass sie noch lange nicht zum alten
Eisen gehören, sondern dass man auch weiter mit ihnen
rechnen sollte, denn sie waren bisher nur ganz selten
besser.
VÖ:30.09.2011 Mute/Goodtogo
28.08.2011: Solar Fake - Frontiers
Mp3-Download
Solar Fake
sind leider immer noch nicht der breiteren Masse ein
Begriff. Zumindest, wenn man nicht vielleicht schon mal
was von Zeraphine gehört hat. Solar Fake ist das
Soloproject von Zeraphine-Frontmann Sven Friedrich.
Stilistisch haben beide Projekte nur indirekt etwas
gemeinsam neben der Stimme von Sven Friedrich. Während
Zeraphine eher Dark-Rock spielen, ist Solar Fake ganz
klar ausgegliedert und gilt als reines Electroproject.
Wer genau hinhört, erkennt in den einzelnen Songs schon
Ähnlichkeiten zwischen den Projekten. Dennoch wird doch
ein unterschiedliches Publikum angesprochen.
Bereits
2008 veröffentlichte Solar Fake das erste Album „Broken
Grid“ mit der sehr eingängigen Singe „Hiding Memories
From The Sun“. Jetzt liegt das zweite Album „Frontiers“
vor, wo sich Sven Friedrich mehr aus dem Fenster lehnt
und das ganze Album komplexer und geschlossener
erscheinen lässt.
Bereits
der Opener „Under The Skies“ ist eine eingängige
Melancholische Einstiegsdroge wo man auch gleich durch
die tiefe sonore Stimme Friedrichs gefangen wird. Der
Mann leidet so schön, dass man ihm schnell mal ein Glas
Rotwein und ein Taschentuch reichen möchte. „No
Apologies“ reißt den Hörer dann aus dem Sessel und lädt
mit seinem stampfenden Beat zum tanzen ein. Ein
besonderer Hinhörer ist „More than this“. Der Track
brennt sich in meine Hörmuschel und avanciert in meiner
persönlichen Hitliste zum Tophit. „Parasites“ überrascht
mich gewaltig, klingt es doch eher aggressiv. Ich fühle
mich stark an die Jungs von [:SITD:] erinnert. So muss
es klingen, wenn man die Tanzfläche bombardieren will.
Natürlich
darf auch eine Coverversion nicht fehlen. Aber da kann
man viel falsch machen und beim Blick auf die Trackliste
befürchte ich schon schlimmes, als ich einen Track
namens „Such a shame“ finde. Und richtig, es handelt
sich ums den Talk Talk-Klassiker der 80er und Solar Fake
bewegen sich auf dünnem Eis. Mehr als ein „unterhaltsam“
kann ich dann leider dem Track auch nicht abgewinnen. Es
gibt halt Stücke, die können einfach nicht gecovert
werden und mit Talk Talk ist es meines Wissens noch
keiner band gelungen, was Gutes zu vollbringen.
Insgesamt
haben Solar Fake es aber geschafft ein gutes Album zum
falschen Zeitpunkt zu veröffentlichen. Gerade bei
„Frontiers“ zeigt es sich wieder, dass es nicht gut ist,
mitten im Sommer so ein Album zu veröffentlichen.
Schnell landet so eine Platte auf dem Haufen, den keiner
im Sommer hören will und das ist in diesem Falle sehr
schade und wirkt sich hoffentlich nicht negativ auf den
Erfolg des Albums aus. Denn Erfolg ist das, was es
verdient hat. Sven Friedrich setzt sich von Zeraphine ab
und macht Lust auf mehr musikalischem Output.
28.08.2011: Project Pitchfork - Quantum Mechanics
Mp3 Download
Es kann
mit Sicherheit keiner behaupten, Project Pitchfork
würden Musik für ein breites Publikum machen. Vom
Indieact zum Mainstream und zurück. So oder ähnlich kann
man die Karriere von Peter Spilles und Dirk Scheuber am
treffendsten beschreiben.
Jetzt
legen Pitchfork mit „Quantum Mechanics“ ein neues
komplexes Werk vor, was mich nach vielen Jahren auch mal
wieder begeistern kann. Selten habe ich in den letzten
Jahren ein für Pitchfork-Verhältnisse eingängiges Album
gehört. Das liegt mit Sicherheit auch an der Vorabsingle
„Lament“, die mir Tür und Tor geöffnet hat. Natürlich
klingt es wie immer aber auch nicht. „Lament“ animiert
mich zum hinhören und lauter machen. Kein Soundtrack für
leicht gestrickte und ein Hauch von Retro schwingt in
den Klängen mit und man fühlt sich an die großen Zeiten
von „Eon:Eon“ zurück erinnert, als Project Pitchfork
durchs Musikfernsehen geisterten und sich der breiten
Viva-Masse öffnen sollten. Dabei ist „Lament“ kein
leichter Song und der durch Spilles‘ durch den Verzerrer
gejagter Gesang kaum eine Melodie erkennen lässt.
Seltsamerweise kommt aber bei den fast 8Minuten keine
Langeweile auf; vielmehr bin ich enttäuscht, dass es
schon vorbei ist.
„Run for
Cover“ ist dann doch tatsächlich das, was ich bei
Pitchfork als Floorfiller bezeichnen würde. Ich bin
entzückt, dass die Beine nur so wippen wollen. Lauter
muss es sein, auch wenn die Kinder in der Nachbarschaft
es mit der Angst bekommen. Spilles und Scheubi schütteln
sich gewaltig en Staub von den Schultern, dass es nur so
kracht. „Radical Burns“ klingt schon fast ein wenig zu
weltoffen und poppig. Würde Peter Spilles nicht den
Weltuntergang prophezeien oder so ähnlich, könnte es
fast schon als Szeneohrwurm durchgehen. Zum ersten Mal
bin ich aber ein wenig genervt, dass bei Track Vier in
gleicher Manier wie bei den vorhergehenden Tracks
Spilles‘ Stimme zu sehr verzerrt ist. Eigentlich will
man doch so von Defiziten ablenken und das hat er ja
wohl kaum nötig.
„Quantum
Mechanics“, das Titelstück des Albums nimmt erstmals das
Tempo aus dem Album und ruft eine schwermütige Stimmung
hervor und baut sich dadurch zu einem grandiosen
Mittelpunkt des Albums auf. Fast schon majestätisch
schreitet Spilles durch seine dunklen Landschaften, die
er mit großen Gesten unterstreicht.
Project
Pichfork haben sich mit „Quantum Mechanics“ nicht neu
erfunden. Sie sind wieder Mal einen Schritt weiter
gegangen und ritzen sich eine weitere Kerbe in den
Bettpfosten der eine Reihe von genialen Alben markiert.
Sie kreieren eine Dark-Wave-Electro-Oper, welche die
Messlatte für ihre Weggefährten wieder ein Stück höher
legen wird und nur sie selber werden es schaffen, diese
Messlatte zu überbieten.
03.07.2011: She Wants Revenge - Valleyheart
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Es gibt
Platten, die sind einfach da. Plötzlich, ohne Vorwarnung
und ohne großes Theater drum herum. So können schnell
mal interessante Platten an einem vorbei gehen oder man
hält kleine Schätze in den Händen. Die Kehrseite kann
dann aber auch wieder sein, dass wenn zu viel Wind um
eine Platte gemacht wird, die Erwartungen zu hoch sind
und das böse erwachen schon beim ersten Durchlauf kommt.
Für mich
überraschend stand mit einem Mal „Valleyheart“, das neue
Album von She Wants Revenge in den Regalen. Meiner
Meinung nach eine der zu unterschätzten Bands in Europa.
2005 von Justin Warfield und Adam Bravin gegründet,
legten sie 2006 ein fulminantes Debut mit dem
gleichnamigen Album hin. Hits „Tear you apart“ und
„These things“ machten sie auch bei uns bekannt. Zu
schnell folgte 2007 schon die zweite Platte „This is
forever“. Nicht so erfolgreich wie das Debut und auch
klanglich eher eine Kopie vom Vorgänger.
Auch bei „Valleyheart“
können She Wants Revenge nicht aus ihrer Haut. Eine
musikalische Anlehnung an Bands wie Joy Division oder
auch an Depeche Mode ist nicht zu leugnen. Dennoch
klingt das Album wieder frischer und eingängiger. Schon
der Opener „Take the World“ brennt sich durch seine
Mischung aus Beats, Gitarre und der Stimme von Justin in
meine Ohren und rutscht in meine Favoritenliste in
meinem iPod. Das She Wants Revenge aber nicht nur düster
klingen zeigt sich gleich bei „Kiss me“. Fast schon
poppige Ansätze, die nicht aufdringlich wirken und eine
hohe Haltwertzeit versprechen. „Must be the one“ als
Vorabsingle auszuwählen, ist eine sehr gute Wahl
gewesen. Nicht unbedingt das kommerziellste Stück auf
dem Album, dafür aber sehr aussagekräftig.
Haben She
Wants Revenge aber jetzt neu erfunden? Nein, aber das
müssen sie auch nicht. Tracks wie „Reasons“ oder „Little
Stars“ oder auch „Suck it up“ überstehen nicht nur in
der Gesamtheit des Albums sondern sind auch als einzelne
Tracks herausragend. Vielleicht schaffen es She Wants
Revenge mit „Valleyheart“ nun auch endlich, auch in
Europa eine breitere Masse anzusprechen. Zu Gönnen wäre
es ihnen. Leider ist bisher nichts über eine anstehende
Tour bekannt. In den USA haben sich She Wants Revenge
aber bereits ein großes Publikum erspielt. Und das nicht
nur durch die erfolgreichen Tourneen mit Placebo und
Depeche Mode.
01.06.2011: Depeche Mode - Remixes 2: 81-11
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Über die
Rolle von Depeche Mode im Bezug aufs remixen ist ebenso
viel verloren wie über Marias Jungfräulichkeit. Die
Urväter des Mixens haben sich also aufgetan und zum
zweiten Schlag ausgeholt, was das aus der Schublade
kramen angeht. Mit „Remixes2:81-11“ liegt hier wieder
eine randvolle Compilation mit alten und neuen Mixen
altbekannter DM-Singles, B-Seiten und Albumtracks vor.
Also alles wie 2004, als die erste Compilation erschien?
Nein dieses Mal konnten die Macher nicht auf Nummer
Sicher gehen, wurden doch mit dem ersten Streich die
Hits ab gefrühstückt. Und genau das macht dann doch
wieder die neue Compi aus. Man traut sich was.
Neben
weiteren „alten“ Mixen, wie z.B. dem etwas schrägen „Death
Mix “ von „Fly on the windscreen“ oder auch dem „United
Mix“ von „Barrel of a gun“, gibt es viele gute und sehr
gute neue Mixe auf die Ohren. Allen voran stehen
natürlich die Mixe der ehemaligen DM-Mitglieder Vince
Clarke (Behind the wheel) und Alan Wilder (In chains).
In beiden Fällen ist man überrascht von den Ergebnissen.
Unlängst bekannt ist das Faible von Vince Clarke für
Dancetracks. Dementsprechend hat er dem 1987er „Behind
the wheel“ einen treibenden Beat und eine neue Bassline
verpasst und den Track auf die 2011 Dancefloors
transferiert. Nicht nur durch die Arbeit Clarke’s ein
Highlight auf dem Album. Schon eher absehbar war dagegen
Alan Wilders Version von „In chains“. An einigen Stellen
klingt der Mix ein wenig zu kalkulierbar. Ich mag die
Arbeiten von Wilder als Recoil und auch als Remixer.
Leider fehlen ab und zu aber die innovativen Wagnisse,
die man Alan Wilder immer wieder nachsagt. Weggebomt
werde ich dafür vom „Joebot Presents „Radio Face Mix““
von „A question of time“. Der Mix aus Breakbeats und
Midtempo klingt treibend und fast schon befreiend, wenn
in der zweiten Hälfte das Tempo angezogen wird. In der
Art hätte ich persönlich mit einem Mix eines der größten
Livetracks von DM nicht gerechnet. Ein weiterer
Schnapper ist ohne Zweifel der „Karlsson & Winnberg
Mix“ von „Tora Tora Tora!“. Mit Sicherheit keine leichte
Aufgabe einen Mix zu so einem Track anzufertigen. Mit
Bravour gemeistert. Mehr als Gelungen ist auch der „Sie
Medway-Smith Mix“ von „Personal Jesus“. Ich mag die
Mixe, wo zumindest ansatzweise noch Sequenzen des
Originals vorhanden sind. Hier wird Martin Gore’s
Gitarre mit neuer Bassline und Drums zusammen gefügt,
sich aber nicht am Original zu sehr orientiert. Mit
Verlaub gesagt eine gelungenere Arbeit als der zur
Single auserkorene „Stargate Mix“.
Das für
mich überraschende an der „Remix 2“ ist, dass im
Gegensatz zur „Remixes 81..04“ nicht die neuen Mixe als
Füllmaterial wirken, sondern diesmal der Spieß umgedreht
wurde. Diese Compilation hätte auch gut auf die „alten“
Mixe verzichten können. Aber dann wäre sie vom Konzept
der ersten Auflage abgewichen. Also greift man auch
dieses Mal nicht falsch ins CD-Regal, da sich alle Mixe
fast ausnahmslos zum tanzen eignen und nicht zu
experimentell wirken. Sollten Depeche Mode selbst die
Mixe ausgesucht haben, so haben die Herren ganze Arbeit
gemacht und vielleicht auch ein paar Ideen wieder
gefunden, die bei neuen Studioarbeiten positiv einwirken
werden.
02.04.2011: The Kills - Blood Pressures
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In der
heutigen Zeit nochmal eine Platte zu finden, die nicht
nur unterhaltsam ist, sondern durch ihre Ecken und
Kanten im Gedächtnis zu behalten ist gar nicht so
einfach. Da kommt mit „Blood Pressures“ von The Kills
die nötige Dosis an Rotzigkeit um dem Einheitsbrei zu
entfliehen.
Bereits
der Opener „Future Starts Slow“ hat das Potenzial, ein
Ohrwurm für den kommenden Sommer zu werden.
Wiederkehrende Riffs und dank der Zuarbeit von James
Hince und Tom Elmhirst (Mischung) eine Rohheit die sich
auch durch die folgenden Tracks weiterführt. Zusammen
mit der Stimme von Alison Mosshart klingt das Album
nicht nach durchgestyltem Rock sondern hat den Charme
eines richtig guten Demotapes. Dieses wird nicht nur
durch die grandiose Vorabsingle „Satellite“
unterstrichen. Weiterer Hinhörer ist das geniale „Nail
In My Coffin“, welches besonders in erhörter Lautstärke
hingerotzt wird, das es kracht. Stellenweise sind
Parallelen zu den White Stripes nicht von der Hand zu
weisen was man hier durchaus als Kompliment sehen soll.
Die
Gradwanderung zwischen Rock, Blues und Country klingt
stellenweise sehr gewagt, aber nicht gekünstelt. „The
Last Goodbye“ ist so ein Stück, dass mich zweimal
hinhören lässt. Das Cowgirl reitet auf seinem Pony dem
Sonnenuntergang entgegen. Nicht kitschig sondern ehrlich
leht man sich zurück und hat dieses Bild im Kopf. Do
bevor man sich den Träumen hingibt, wird man dann doch
mit „Damned If She Do“ in die Realität zurück geholt.
Live sind
The Kills bisher nur für drei Termine gebucht. Aber
sollten sie noch weitere Termine nach schieben, sollte
man sich spätestens nach „Blood Pressures“ auch live
beeindrucken lassen.
16.03.2011: The Human League - Credo
Das sind
sie ja wieder! Zehn Jahre nach dem letzten Album „Secrets“
melden sie The Human League endlich mit neuem Material
zurück. „Credo“ heisst das neue Album und lässt mich
doch entzücken. Nachdem die Band in den letzten Jahren
sich von Eighties-Festival zu Eighties-Festival gerettet
hat und dazwischen immer wieder auf Tour im Vereinigten
Königreich auf Tour war, hatte ich die Hoffnung auf ein
neues Album schon fast begraben.
Aber was
habe ich von „Credo“ erwartet? Da das 80er-Revival
derzeit dank neuer Platten von OMD, Duran Duran u.a. ja
voll im Gange zu sein scheint, war ich schon darauf
eingerichtet, dass es in die Richtung gehen könnte. Und
bereits die digitale Vorabsingle „Night People“ hat mich
nicht überrascht. Ok, die Auswahl war meiner Meinung
nach etwas gewagt, ist ein kommerzieller Erfolg nicht zu
erwarten. Dazu ist „Night Peolple“ zu sperrig und mit
seinen Pausen auch etwas strange. Nach mehrmaligem hören
finde ich aber immer mehr gefallen an dem Track.
Besonders durch das lange Finale mit Discoflair.
„Sky“ ist
ein klassischer League-Song. Da hört man die Vorliebe
von Phil Oakey für aufbauende Refrains. Der Track hätte
schon auf so vielen Alben veröffentlicht werden können.
Es gibt halt immer wieder Tracks, an denen man einen
Songschreiber erkennt. Und, ups, da ist ja schon er
nächste Track Track „Into the night“ wenn man es gar
nicht merkt, dann muss es wohl gute Unterhaltung sein.
Musikalisch besticht „Credo“ durch seinen Retro-Sound,
der aber nicht gekünstelt wirkt. Human League müssen die
Originale nicht kopieren, sie sind es. „Credo“ ist ein
zeitloses Comeback und reit sich ohne anzuecken in die
Retrosounds anderer Acts wie FRANKMUSIK oder LaRoux ein.
Dadurch klingt es nicht altbacken sondern frischer als
ich erwartet hatte.
Anspieltipp: „Never let me go“,
“Night People”, “Egomaniacs”
16.03.2011: Blitzmaschine - Faustrecht
Zurücklehnen und Entspannen – nein, das kann jetzt nicht
angesagt sein. Dreht sich jetzt doch gerade mit
„Faustrecht“ das Debutalbum von BLITZMASCHINE. Dieses
sind der ehemalige Collapsed System-Shouter Holger und
sein Partner Matze. Kennengelernt haben sich die beiden
Mal nicht wie viele andere Bands in irgendeinem Club
sondern ganz unlike auf dem Finanzparkett. Nachdem dort
nichts mehr zu holen war, besann sich Holger auf die
Musik und gründete mit Matze BLITZMASCHINE.
Mit
„Faustrecht“ gibt es nach eigener Aussage „EBM für die
Mittelschicht“. Und da wird nicht untertrieben. Das
Album wird dominiert von harten Beats und harten
Basslines. Selten hat eine Platte so unverblümt mit den
Old-School-EBM kokettiert. Der Opener „Swallow me“
könnte so ziemlich von jedem Frühwerk von Nitzer Ebb
entsprungen sein. Was man in diesem Falle als Kompliment
durchgehen lassen kann. Erwähnenswert für mich ist z.B.
auch „Am i right“. Nicht einfach nur ein weiterer Track
nach 08/15-Muster. EBM kann auch abwechslungsreich sein.
Bei
„Blondes Mädchen“ muss ich zwangsläufig erweise and die
Urgroßväter des EBM, DAF denken. Der Gesang von Holger
und die Basslines haben für mich schon fast zu viel
Ähnlichkeit mit Gabi Delgado und Robert Görl.
Auf der
einen Seite ziehe ich den Hut vor der konsequenten
Stilverfolgung, beginne mich aber auch zu langweilen. Zu
eintönig wirkt das Album, wenn es in einem Stück
durchläuft. Jeder einzelne der 14 Tracks lädt zum tanzen
ein, bietet am Stück aber auch eine Überdosis EBM, die
nach mehr Abwechslung lechzt.
08.03.2011: AndOne - Tanzomat
Mp3 Download
Naja, da
ist sie also endlich. Die neue, lange angekündigte,
verschobene und dann doch noch fertig gewordene
Song-Compilation von AndOne. „Tanzomat“ getauft, erwarte
ich nach allen Vorankündigungen ein Hammeralbum. „Old
School EBM meets Bodypop“ soll die Devise sein. Mmhh,
aber warum bin ich dann schon bei der Vorabsingle
„Zerstörer“ schon nicht vor Freude spitzend durch die
Bude gesprungen? Das soll sich doch hoffentlich jetzt
ändern.
Schon der
Opener lässt die Euphorie in den Keller sinken. „Save
the hate“ besticht durch eine Bassline, die ich bei
AndOne in den letzten 15 Jahren schon tausend Mal gehört
habe. Die Vocals von Steve Naghavi sind
gewöhnungsbedürftig. Nur der Refrain hat vielleicht
Potenzial, irgendwo in den Gehörgängen zu bleiben. „Shining
star“ überzeugt auch nicht durch musikalische
Neuerungen. Die Geschwindigkeit ist zwar schon etwas
tanzbarer aber zündet auch nicht. Einzig ist wieder der
Refrain ganz nett und hat Wiedererkennungswert. Das
scheint wohl die neue Kreativität von Steve Naghavi zu
sein. Aber ein Refrain allein macht noch keinen Hit.
Schon gar nicht, wenn man zum fünfhundertsten Male den
Magix-Musicmaker in der AndOne-Edition startet. Langsam
schreit es nach musikalischer Erneuerung.
„Dancing
in the factory“ hat seine Basslinewurzeln entfernt bei
DM’s „Just can’t get enough“ entliehen. Nicht wirklich
neu, aber insgesamt bis jetzt unterhaltsamste auf dem
Album. Und endlich mal wieder weibliche Vocals. Wie habe
ich vermisst. Als Ponton zu Naghavis Bass-Stimme.
„The aim
is in your head“ ist der Beweis, das Naghavi es aber
auch noch kann. Schwermütige Bassline, Dramaturgie und
mystische Atmosphäre. Er kann es doch. Warum wird diese
Art von Kreativität nur zu selten abgerufen? „Sex
Drive“ mit auf das neue Album zu nehmen erscheint für
mich als die logischste Wahl. Haben AndOne mit
„Zerstörer“ die Hörerschaft doch mehr verstört als
angesprochen.
Wie soll
da Fazit denn nun ausfallen? Schwer, wirklich schwer zu
sagen. Der eingefleischte AndOne-Fan wird seine Freude
an „Tanzomat“ haben. Soviel steht fest. Das Ziel, neue
Fans mit dem Album zu gewinnen, wird wohl weit verfehlt
werden. Zu hoch ist die Messlatte mit „Bodypop“ (2006)
gelegt worden. Da kann „Tanzomat“ nur verlieren. Und wer
vier Jahre braucht, um „nur“ eine musikalische
Fortsetzung eines Albums zu produzieren, kann keine
Lobeshymnen verlangen. AndOne treten als Auslaufmodell
an, die es leider nicht einmal mehr schaffen, auf der
Bonus-Live-CD der „Limited Edition“ zu überzeugen. Die
Tracks kommen ebenso leer und lustlos rüber, wie sie
auch schon in den Konzerten im Herbst 2010 klangen.
Ich hoffe,
dass Steve Naghavi das Ruder nochmal rumreißen wird und
auch mal neue Wege geht. Sonst wird das langsame Sterben
jetzt offiziell eingeläutet.
21.01.2011: Covenant -
Modern Ruin
Mp3
Download:
Man hätte
es ja fast nicht mehr glauben können, dass von den
Herren von Covenant nochmal etwas Neues zu hören ist.
Nachdem, was in der letzten Zeit so an Eskapaden
nachzulesen war, erschien mir die Möglichkeit etwaiger
Veröffentlichungen dann auch minimal. Da war die
Überraschung über die „LIghtbringer e.p.“ im Oktober
letzten Jahres doch schon groß, auch wenn der
A-ha-Effekt ausblieb.
Jetzt
legen Covenant mit „Modern Ruin“ nach fünf Jahren Pause
ein neues Album vor, welches nach den ersten
Ankündigungen bereits im Herbst 2009 hätte erscheinen
sollen. Hat sich die Wartezeit gelohnt? Schwer zu sagen.
Man kommt schnell auf den Punkt, dass Covenant sich
musikalisch verändert haben. Einen großen Anteil daran
hat mit Sicherheit die Rekrutierung von Daniel Myer (Haujobb,
Destroid). „Modern Ruin“ beinhaltet so viel klangliche
Raffinesse, die man von Myers Vorbands kennt. Die
letzten EBM-Einflüsse, die noch auf „Skyshaper“ (2006)
zu hören waren, sind Clubsounds gewichen. „Judge Of My
Domain“ ist eine Gradwanderung und beinhaltet noch ein
paar Atmosphärische Ausläufer des letzten Albums.
„Dynamo Clock“ besticht durch harte Beats und Bassline.
Ein Floorfüller, der aber leider ohne jeglichem
Wiedererkennungswert ausklingt. Hörenswert ist dagegen
schon eher „The Beauty And The Grace“. Etwas mystisch
und geheimnisvoll mit einem für Covenant-Verhältnisse
interessanten Gitarrenpart. Mein Highlight auf dem
Album.
Ich nenne
es mal Weiterentwicklung bei Covenant, wie sich Tracks
wie „Wolrlds Collide“ und „The Night“ anhören. Sind
Covenant schon immer auch für experimentelle Sounds
bekannt gewesen, verlangen sie der Hörerschaft nun schon
einiges ab. Und das wird mit Sicherheit an der
Mitwirkung von Daniel Myer liegen. Ob alle Fans die
Entwicklung mitgehen, bleibt abzuwarten.
Muss man
„Modern Ruin“ denn jetzt mögen oder nicht? Wenn man
keine 08/15-Platte erwartet, die sich an dem Erfolg der
letzten Alben orientiert, sollte man das Album nicht
missachten. Wer alten Smashern a la „Dead Stars“
nachweint, sollte sich die Anschaffung gut überlegen.
15.01.2011: F.O.D. - Maschinentanz
Mp3 Download:
Selten
laufe ich so lange schwanger mit einem Album. Meist
verliere ich den Mut und das Regal hat wieder mal
Füllware erhalten. So ist es auch beinahe mit
„Maschinentanz“, dem aktuellen Album von F.O.D.
geschehen. Schon die zweifelhafte Playbackshow als
Support von AndOne im Herbst 2010 hatte mich nicht
wirklich positiv gestimmt.
Manchmal
lohnt es sich aber auch, nach einer gewissen Pause ein
Album wieder vor zu holen. Mittlerweile hat sich die
Platte in meiner Gunst weiter nach oben gedreht. Schon
der Opener „Dirty Pop“ geht mit treibenden Beat nach
vorne. Zwar etwas zu sehr poppig aber doch wieder
eingängig hat „Kreuzritter“ Airplaytaugliche Tendenzen.
„Angels“ ist ein Hit! Mehr kann man nicht sagen.
Eingängige Melodie, pumpende Beats und ein
Ohrwurmrefrain den man so schnell nicht los wird. „I
know“ überrascht mich u.a. durch den Gesang. Gesungen
von Ex-Blutengel Eva Pölzing hat der Track ebenfalls
Hitcharakter. Die Stimme von Eva kann man schon mit der
von Plavka (ehem. Gastsängerin bei Jam & Spoon)
verwechseln. Was man schon als positive Referenz
anmerken kann.
Aber wenn
ich anfangs so Zweifelhaft war, kann doch nicht alles
toll sein, oder? Richtig! Es gibt in der deutschen EBM-/Electroszene
nur zwei Bands, die mit dem deutschen Wort umgehen
können. Zum einen AndOne und auf der anderen Seite
fallen mir nur Melotron ein. So ausgeklüngelt die
Sounds, Beats und Melodien auf „Maschinentanz“ auch
sind, die deutschen Texte holpern durch die Boxen und
klingen doch eher amateurhaft.
F.O.D.
bilden eine neue Generation des EBM. Vielleicht ein
wenig zu naiv und viele Anleihen an altgedienten Größen.
Bei der richtigen Lautstärke aber doch auch mit
Suchtgefahr.